Reviews

sputnik sweetheart by Haruki Murakami, Haruki Murakami

schreibratte's review

Go to review page

5.0

Ich kenne bereits fünf oder sechs Werke von Murakami und mag sie sehr, mit ihrem Sog und der ganz eigenen Erzählweise - aber "Sputnik Sweetheart" ist mein neuer Favorit. Vielleicht liegt es daran, dass hier das Mystische etwas zurücktritt und es keine metaphernhafte fantastische Geschöpfe gibt. Die Geschichte handelt einfach von Sumire, von Miu und dem Erzähler, von Liebe und Einsamkeit und ist ein klein wenig ein Krimi (aber gerade so, dass es vollkommen erträglich für mich war, die keine Krimis mag oder liest).

Wie fast immer bei Murakami gibt es auch hier eine geheimnisvolle, komplizierte Frau, auch wenn ich nicht weiß, ob ich mehr Sumire oder mehr Miu in dieser Rolle sehe.
Was ich wunderschön fand, weil ich mich sehr damit identifizieren kann: Sumire will Schriftstellerin sein.
Damals kämpfte Sumire verbissen darum, Romanschriftstellerin zu werden. Von all den Möglichkeiten, die das Leben eventuell für sie bereithielt, kam für sie einzig und allein die Laufbahn einer Schriftstellerin in Betracht. Ihr Entschluss stand felsenfest. Kompromisse ausgeschlossen. Zwischen Sumire und ihrer unerschütterlichen Hingabe an die Literatur hätte nicht einmal ein Haar Platz gefunden. (S. 7)


Ist es nicht wunderschön? Murakamis Stil ist wieder unvergleichlich und einzigartig. (Habe ich das nicht neulich schon im Review über Alice Munro gesagt? Aber es stimmt, für beide, obwohl sie sich ein wenig ähneln mit ihrer Sachlichkeit.)

"Mein Kopf ist vollgestopft mit Zeug, über das ich schreiben will. Wie eine olle Scheune", sagte Sumire. "Bilder, Szenen, Wortfetzen, Leute toben mir im Kopf rum und brüllen mich an, ich soll schreiben. Ich kriege Lust, mit einer großartigen Geschichte anzufangen, die mich an einen ganz neuen Ort versetzt. Aber wenn ich mich dann an den Schreibtisch setze und schreiben will, merke ich, dass etwas Wichtiges fehlt. Es kristallisiert sich nichts heraus, und ich bleibe auf einem Haufen Geröll sitzen. Ich komme einfach nicht vom Fleck." (S. 20f.)


Der Zauber in Murakamis Texten liegt aber nicht nur in einzelnen Charakteren, sondern ihren Beziehungen zueinander. Zwischenmenschlich sehr einfühlsam und dennoch nicht romantisch, sondern mit einer sehr sachlichen, fast schmerzenden Präzision erzählt Murakami von der Geschichte, vielleicht einer Liebesgeschichte, wie sich Sumire in Miu verliebt.
Im Frühling ihres zweiundzwanzigsten Lebensjahres verliebte sich Sumire zum allerersten Mal. Heftig und ungezügelt, wie ein Wirbelsturm über eine weite Ebene rast, fegte diese Liebe über sie hinweg. Ein Sturm, der alles niedermäht, vom Boden fegt und hoch in die Lüfte schleudert, wahllos in Stücke reißt, wütet, bis kein Ding mehr auf dem anderen ist. Ohne in seiner Kraft auch nur für einen Augenblick nachzulassen, braust er über die Meere, legt Angkor Wat erbarmungslos in Schutt und Asche, setzt einen indischen Dschungel mitsamt seinen bedauernswerten Tigern in Brand und begräbt als persischer Wüstenwind eine orientalische Festungsstadt im Sand. Kurzum, es ging um eine Leidenschaft von monumentalen Ausmaßen. Sumires Liebe war siebzehn Jahre älter als sie und verheiratet. Überdies, so sollte man hinzufügen, handelte es sich um eine Frau. (S. 7)


Der Romananfang hat mich direkt in den Bann gezogen und danach ließ mich das Buch nicht mehr los. Wie drei Satelliten drehen sich die Leben des Erzählers, Sumire und Miu umeinander. Es wird berührend und melancholisch und ich werde noch lange darüber nachdenken, was zwischen den Zeilen alles passiert ist. Das ist der Zauber von Murakamis Büchern. Die große Stärke von "Sputnik Sweetheart", verglichen mit Naokos Lächeln etwa, oder Kafka am Strand, ist dass es hier beinahe greifbar ist, das Geheimnis des Lebens. Der Krimi ist vielleicht nur ein Krimi, oder aber es ist so viel mehr. Ich könnte noch ein paar Romane füllen mit dem Versuch, alles zu verstehen und zu erläutern, aber das simple Fazit lautet ganz einfach: Lest dieses Buch. Kauft es, leiht es euch, lernt Japanisch, um es im Original zu lesen (vielleicht besser, das kann ich nicht beurteilen, aber in den Sprachen, in denen ich es kann, gibt es meist noch eine Menge mehr), auf jeden Fall lest "Sputnik Sweetheart".
More...