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Why Not Default?: The Political Economy of Sovereign Debt by Jerome Roos

sklation1987's review

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5.0

Der Autor untersucht, warum Nationalstaaten Schulden begleichen, auch wenn eine Bankrotterklärung als der leichtere Weg zu scheinen mag. Dabei bedient er sich einem selbst erstellten Rahmenwerk. Demnach wirken drei Kräfte in die Entscheidung ein, wie zahlungswillig ein Schuldner bzw. wie willig ein Gläubiger für eine Kreditvergabe ist:
1. market discipline: Zusammenhalt der Gläubiger und Verfolgen eines gemeinsamen Ziels. Bei hoher solcher Konzentration (zB. Genoese bank syndicates im 15. Jahrhundert, Amsterdam loan originators im 18. Jahrhundert, Rothschild und Barings banks of London Ende 19. Jahrhundert abgelöst durch Wall Street bankers wie J.P. Morgan und Rockefeller) kann das Schuldnerland von weiteren Zahlungsströmen abgeschnitten werden, gleichbedeutend mit einer starken Abhängigkeit.
2. conditional loans: "international lender(s) of last resort", wie bspw. der IMF (gegründet im Zuge der Bretton Woods Konferenz 1944), der genügend Zahlungsspritzen unter bestimmten Konditionen leisten kann, damit das Schuldnerland nicht in den Bankrott schlittert, wenn das Ansteckungsrisiko eines Bankrotts hoch ist.
3. bridging role/internalized discipline: Eliten aus dem Schuldnerland, die ein Interesse daran haben, dass kein Bankrott eintritt, weil diese bspw. Schuldverschreibungen des Schuldnerlandes halten oder anderweitige wirtschaftliche Abhängigkeiten bestehen, vorbehaltlich eines gegebenen Einflusses auf die Regierung.

Es wird zwar kurz auf Hypothesen weiterer Gelehrter eingangen, die in die Entscheidung einfließen könnten, die aus Sicht des Schuldners einen Zahlungsstopp einleiten können oder aus Gläubigersicht die Kreditvergabe verhindern bzw. höhere Zinsen ansetzen, diese Ansätze werden in weiterer Folge aber nicht weiter verfolgt, da lt. Studien die Ergebnisse nicht zufriedenstellend sind:
1. Reputation hypothesis: kann die Verschlechterung des Rufs des Schuldnerlandes einen Zahlungsausfall verhindern?
2. Legal sanctions hypothesis: welcher Judikatur unterliegt der Vertrag der Schuldverpflichtung? Drohen Sanktionen bei Nichteinhaltung der Zahlungspflicht?
3. Trade sanctions hypothesis: bestehen enge Handelsverflechtungen zwischen Schuldner- und Gläubigerland?
4. Democratic advantage hypothesis: sind demokratisch geführte Schuldnerländer zahlungswilliger?
5. Spillover costs hypothesis: wie wirkt sich ein Zahlungsausfall auf die Wirtschaft im Schuldnerland aus?

Basierung auf dem Rahmenwerk des Autors werden drei Länder näher untersucht:
1. Mexiko 1982-1989 (strong market discipline, effective conditional lending, internalized debtor discipline (3/3), dadurch kein Staatsbankrott)
2. Argentinien 1999-2005 (debt restructuring durch "megaswap": Verlängerung der duration unter Erhöhung der Zinsen durch diesen Swap; Ausnützung des Brady deals (eingeführt 1989), indem Anleihen am Sekundärmarkt weiterverkauft werden konnten. Dadurch "atomizing" von Gläubigern, wodurch keine market discipline etabliert werden konnte (gerine Konzentration); IMF hatte keinen großen Zugriff (steigende Kritik und politische Opposition, v.a. aus USA, gegen die Institution), wodurch auch keine conditional loans möglich waren; anschließender Zusammenbruch der Regierung und damit auch des internalized discipline mechanism führte zum Zahlungsstopp durch den Schuldner; die großen Verlierer waren Retailinvestoren, die auf den Staatsanleihen sitzen blieben, während Wall Street Banken die Staatsanleihen bereits abgestossen hatten und mit intermediation fees dazuverdienten.)
3. Griechenland 2010-2015 (strong market discipline (Troika bestehend aus EZB, EU Kommission und IMF), der IMF befand sich dabei in einer "supportive role", als in einer führenden. Die Forderung nach debt relief vonseiten der IMF fand keine Beachtung. Mit der Einführung des Securities Market Program (SMP in 2010, abgelöst durch Outright Monetary Transactions in 2012, der jedoch nie eingesetzt werden musste (Draghi: "whatever it takes") wurden Staatsanleihen zwar nicht direkt von Griechenland abgekauft, aber am Sekundärmarkt von privaten Gläubigern; effective conditional lending: keine Möglichkeit für Griechenland Kredite von anderen Quellen zu beziehen; internalized debtor discipline: Interesse der Eliten (mit guten Verbindungen zu europäischen Institutionen) am Verhindern eines Staatsbankrotts (3/3). Als im Frühjahr 2012 ein Haircut beschlossen wurde, hatten internationale Gläubigerbanken bereits ihr Exposure weiterverkauft an die EZB. Die großen Verlierer waren griechische pension funds und banks.)
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