veilchen24 's review for:

Julia by Sandra Newman
4.0

Feministische Neuerzählung des Klassikers „1984“ von George Orwell

Der distopische Klassiker 1984 ist den meisten ein Begriff. Er spielt in einem totalitären Überwachungsstaat, der auf einem heimtükischen Spitzelsystem, Propaganda und Hass beruht. Big Brother, Neusprech und der 2-Minuten-Hass fehlen auch in dieser Neuerzählung nicht, allerdings bringt Sandra Newman frischen Wind mit der Perspektive einer Frau in dieser trostlosen Welt. Julia, die in „1984“ nur als Affäre des Protagonisten eine Rolle spielte, und recht einseitig dargestellt war, steht nun im Mittelpunkt des Geschehens. Ohne das Originals zu misachten, spinnt Newman eine beeindruckende, bewegende Geschichte um Julia, wobei sie die Handlungsfäden der alten Geschichte neu verwebt und uminterpretiert. Die LeserInnen kehren zurück in das London 1984, wo einen der Große Bruder immer beobachtet, jedes falsche Wort zu qualvoller Folter führen kann und man niemandem vertrauen darf. Mit einer neuen Erzählperspektive wird diese fremde Welt nicht nur realistischer und mehrdimensionaler, es gelingt sogar, zu einem hoffnungsvolleren Ende zu kommen. Mit Julia, die an der Politik kein Interesse hat, und eigentlich nur überleben will, ist das Buch weniger mit philosophischen Gedanken und politischer Theorie gefüllt, und zeigt dafür mehr von der Gesellschaft, den Menschen und individuellen Schicksalen. Eine wunderbare Erweiterung der Welt, die Orwell geschaffen hat, die sowohl Kennern von 1984 neue Perspektiven bieten kann, aber auch Neukommende nicht minder faszinieren wird.