A review by tinido
Die Geschichte der Bibel- Von den Ursprüngen bis in die Gegenwart by John Barton

challenging informative reflective slow-paced

3.75

Ich habe eine sehr ordentliche evangelische Sozialisation und ziemlich gute religiöse Bildung, habe aber hier noch ein Menge gelernt. Aber genau dafür habe ich das auch gelesen: Wenn man ein bisschen in der Bibel herumliest, merkt man einfach, dass das niemals als einheitliches Buch gedacht war. Dazu kommen die zahllosen Geschichten und Aussagen, die sich oder den Dingen widersprechen, die man so als Inhalte des christlichen Glaubens so kennt. Wenn man solche oder ähnliche Fragen in Bezug auf die Bibel hat, dann ist das ein wirklich gutes Buch, um sich einen Überblick über den Stand der Forschung zu verschaffen und über die Fragen, die da gestellt werden. Besonders positiv hervorheben will ich, dass die Geschichte der jüdischen Bibel immer mit betrachtet wird, zumindest bis zur Aufklärung, konkret bis zu Spinozas Tractatus theologico-politicus. (Das sind ca. 2/3 des Buches). Danach, finde ich, lässt es deutlich nach, was auch damit zu tun hat, dass es dann eigentlich nicht mehr um Kanonisierungsprozesse und biblische Philologie geht (wo Barton super ist und gerade auch für Lai*en gut erklärt, was da abläuft), sondern darum, was mit der Bibel passiert, wenn Hochstilisierung zum Heiligen Text, Massenverbreitung und historisch-kritische De-Mythologisierung aufeinandertreffen. Da zieht sich Barton dann auf eine, wie ich finde, sehr unkritische liberale Tradition und Haltung zurück, wo er doch vorher so detailliert gezeigt und argumentiert hat, dass erst der intensive Gebrauch das Heilige Buch macht und dass es sich mit dem Gebrauch immer wieder ändert. Aber davon sollte man sich nicht abhalten lassen, das Buch zu lesen: Ich denke, man bekommt so eine kondensierten Überblick über 3.000 Jahre Geschichte der Bibel, der wissenschaftlich seriös und sehr gut lesbar ist, nirgends sonst.