A review by mel_j
Das Lied der Sonne by Jennifer Wolf

3.0

Ich habe mich sehr auf dieses Buch gefreut, da es das erste (reine) Fantasy-Buch war, das ich seit langem gelesen habe.
Und das war auch meine erste Enttäuschung: obwohl das Buch in der Buchhandlung als "Fantasy" vermarktet wurde, kamen die fantastischen Elemente (Lanea als Tochter der Sonne und des Wassers) erst ganz zum Schluss zur Sprache und selbst dann wurde nicht viel daraus gemacht. Ein paar Seiten über ihre Verbindung mit dem Meer, sicher, aber nicht mehr.
Dabei hat der Roman eigentlich ziemlich gut angefangen: Lanea, aus dem Reich Palilan, wird anstatt ihrer besten Freundin Kanani (die davor große Angst hat) zum Königshof geschickt, um eine der möglichen Bräute für den neuen König zu sein. Bevor es aber überhaupt dazu kommt, lernt man Lanea und Kanani erst ein wenig kennen - was mir wirklich gut gefallen hat!
Die beiden hatten von Anfang an einen (so schien es) ziemlich guten Deaht zueinander und haben sich gegenseitig sehr vertraut. Ich mochte auch, dass Kanani Lanea eigentlich im Endeffekt genau so unterstützt hat wie Lanea es bei Kanani getan hat.
Leider war die Phase, in welcher man die beiden zusammen kennenlernen durfte, doch recht kurz, da Lanea bald darauf ihre Reise an den Königshof antritt. Die Darstellung der Beziehung zu den restlichen Palilos, die sie auf die Reise begleiten, hat mir imponiert, ebenso wie Laneas Beziehung zu ihrer Mutter. Man hat einfach sehr schön gemerkt, dass sie sich nahestehen.
Prinz/König Aaren, der Thronfolger seines Vaters, den sie bei ihrer Ankunft trifft, war ich zuerst ein wenig skeptisch gegenüber. Von außen wirkt er ziemlich kühl, manchmal sogar brutal und ich konnte mich nicht wirklich für ihn erwärmen. Auch, wenn sein 'Schicksal' als zukünftiger (und dabei noch sehr junger!) König natürlich schwer ist - und ihm eine Frau beiseite stehen wird, die er nicht besonders gut kennt und vermutlich auch nicht liebt - war mir sein Gehabe manchmal ein wenig zu hart. Natürlich hat sich das im Verlauf des Buches gebessert, so richtig warm geworden mit ihm bin ich dennoch nie.
Umso interessanter fand ich hingegen seine zukünftige Ehefrau, Annabelle, und ihre (mehr oder weniger) heimliche Geliebte, Cara. Mir war von Anfang an klar, dass Annabelles Herz nur Cara gehört und sie Aaren nicht so lieben wird können - und ich habe beide, Cara und sie, sofort liebgewonnen. Auch wenn es ziemlich wenige Szenen mit den beiden gibt, merkt man doch deutlich, wie sehr die beiden Frauen einander lieben und wie sehr sie beide unter Annabelles neuer Stelle als Großkönigin leiden. Ich habe jede Szene mit den beiden genossen (und insgeheim gehofft, dass noch viele mehr kommen.)
Die Freundschaft, die sich langsam zwischen Annabelle und Aaren anbahnt, hat mir gut gefallen. Auch wenn die beiden sich nicht lieben, zumindest nicht romantisch, haben sie doch aufeinander aufgepasst. Sehr schön zu lesen!
Leider fand ich Lanea, die dem Großkönig im Laufe des Buches immer näher kommt und sich anschließend in ihn verliebt, ab ihrer Ankuft am Hofe fast ein wenig zu perfekt. Sicher, sie hat sich Sorgen um ihr Land und um ihre Freunde gemacht, aber im Endeffekt hat sie alle Schwierigkeiten mehr oder weniger mit links gemeistert. Es war mir zu viel.
Auch die Liebesgeschichte zwischen Aaren und Lanea hat mich anfangs nicht überzeugen können - die beiden kennen sich nur flüchtig, es ging mir zu schnell. Auch dass beide
Spoilervon der seinen Frau großgezogen wurden - die, in Aarens Fall, aber nicht seine Mutter ist - hat mich die Romanze der beiden sehr skeptisch beäugen lassen. Anfangs war mir die Beziehung noch viel zu geschwisterlich.
Die Art, mit der Aaren Lanea behandelt, war für mich nicht immer nachvollziehbar.
Geliebt habe ich Fürst Eric, Annabelles Vater. Er hat nicht nur seiner Tochter immer beiseite gestanden und ihre Liebe zu Cara akzeptiert, sondern auch Lanea geholfen, wo er konnte. Vor allem das Ende des Buches hat mir auch deswegen imponiert, weil er tatsächlich ein liebender, gut für seine Tochter sorgender Vater ist.
SpoilerDie (nicht geschwisterliche) Liebe zu seiner Adoptivschwester war dann wieder ein wenig seltsam
. Alles in allem ein toller Charakter!
Abgesehen von der Romanze kam mir nur leider der eigentliche Plot mit Thurgood etwas zu kurz. Man hat ihn zwar kurz kennengelernt, gerade genug, um zu merken, dass er der 'große Böse' innerhalb des Romans sein wird, aber bis zum großen Finale kommt er überraschend wenig - und wenn dann behind the scenes - vor. Das hat mich gestört - man hätte aus Thurgood einen gut durchdachten Feind machen können. Schade.
Sehr gut gefallen haben mir aber nicht nur die Nebenfiguren (Nalus Umgang mit Louis war sehr süß geschrieben, Lele eine fürsorgliche Mutter, Svea und Liv waren gute Freundinnen und Cara hat mein Herz erwärmt) sondern auch die Beschreibungen des Palasts. Hier wurde sehr detailgetreu beschrieben; während des Lesens habe ich mich wie Lanea gefühlt und mir alles bildlich vorstellen können. Die Beschreibungen des Designs, Dekors, des Palasts, aber auch der Kleidung und des Schmucks der Damen war sehr gut gelungen.
Leider hat das Ende von "Das Lied der Sonne" für mich ein bisschen zu sehr geschwächelt. Es kam viel Schlag auf Schlag, und bis auf die letzte Szene mit Thurgood und Lanea schien es mir, als würde die Autorin das Buch einfach nur gerne beenden, egal wie. Dass
SpoilerLanea nicht einmal richtig um Kanani trauern konnte
war für mich eher Lazy Writing, als eine "Tradition Palilans". So hätte man auch mehr über ihren Bruder erfahren können. Es kam mir falsch und ein bisschen faul vor.
Die Fantasyelemente waren an und für sich eine nette Überlegung, ich fand es nur ein wenig schade, dass diese erst ganz zum Schluss erwähnt wurden. Dass sie danach kaum eine Rolle gespielt haben - trotz Laneas Verbundenheit mit dem Wasser - war für mich verschwendetes Potenzial. Überhaupt hätte man nicht nur daraus, sondern auch aus den Kriegsszenen insgesamt viel mehr machen können.
SpoilerDer Plottwist, dass Annabelle gar nicht tot ist, hat mich aber sehr glücklich gemacht.

Die letzten Seiten waren wiederum, finde ich, recht gelungen - Lanea und Aaren, die endlich vereint sind und glücklich sein können. Obwohl ich mich, wie gesagt, für Aaren nie erwärmen konnte und hin und wieder auch mit Lanea Probleme hatte, fand ich das doch eine ziemlich schöne Szene. Sie hat dem Buch zwar ein ziemlich perfektes Happy End gegeben, war aber in sich schlüssig - und der Schreibstil wirklich toll.
Insgesamt war 'Das Lied der Sonne' kein Roman, für den ich mich komplett erwärmen konnte, allerdings gab es gut ausgearbeitete Nebencharaktere und das Ende ist in sich schlüssig.