A review by potahto
Das Mädchen mit dem Fingerhut by Michael Köhlmeier

4.0

Über das Buch:
Dieses Buch ist im Frühjahr 2018 herausgekommen und zählt 144 Seiten.
"Irgendwo in einer großen Stadt, in Westeuropa. Ein kleines Mädchen kommt auf den Markt, hat Hunger. Sie versteht kein Wort der Sprache, die man hier spricht. Doch wenn jemand »Polizei« sagt, beginnt sie zu schreien. Woher sie kommt? Warum sie hier ist? Wie sie heißt? Sie weiß es nicht. Michael Köhlmeier erzählt von einem Leben am Rande, von der kindlichen Kraft des Überlebens, von unserer Gegenwart."


Stil und meine Meinung:
Ich fand die Beschreibung des Inhalts und auch die Leseprobe sehr ansprechend, deswegen habe ich mir das Büchlein via Onleihe ausgeliehen und innerhalb von etwa zwei Tagen ausgelesen.

Der Stil gefällt mir sehr gut und ich muss auch zugeben, dass ich ähnlich schreibe, wenn ich mich an Kurzgeschichten versuche. Die Sätze sind unaufgeregt, nicht verschachtelt sondern mit aneinandergereihten Worten, Interpunktion ist wenig vorhanden. Das passt zum Inhalt: Das Dasein des (zunächst) namenlosen Mädchens ist leise, ein wenig bemitleidenswert, schleichend. Es wird nicht direkt aus der Sicht des Mädchens erzählt, aber dennoch weiß man immer nur genauso viel wie die ProtagonistInnen oder wie die gerade handelnde Figur. Man ist orientierungslos, kann nur Vermutungen anstellen was Herkunft, Ziel, und Beweggründe angeht. Für mich war sehr schnell klar - eigentlich von Anfang an - dass es sich hier um ein geflüchtetes Kind handeln muss, das im Verlauf der Geschichte auf Gleichgesinnte, Gutgesinnte und Übelgesinnte trifft. Als Person, die mit Geflüchteten zu tun hat, hat für mich alles gepasst und ich fand es alles andere als unrealistisch oder übertrieben.

Ich habe mir andere Rezensionen durchgelesen und festgestellt, dass es Pole gibt. Die einen können überhaupt nichts mit dieser Geschichte anfangen, die anderen finden sie sehr gut. Ich gehöre eher in zweitere Gruppe. Ich fand sowohl den Erzählstil passend und gut, als auch die Geschichte wunderschön, glaubhaft und ernüchternd.
Ich kann sehr gut verstehen, dass das Gesamtpaket Geschmackssache ist, aber ich habe das Buch sehr gerne gelesen und kann einen Versuch empfehlen, das Buch zu "genießen".

Drei Punkte, die mir nicht so gefallen haben waren das doch etwas abrupte Ende, die Tatsache, dass an ein paar Stellen die Motivation der kleinen Protagonistin und ihrer Mit-Protagonisten (warum sie bestimmte Dinge tun) ganz gut gewesen wäre und dass es in einer Szene zu einer Traumsequenz kommt, in der das kleine Mädchen sehr in Genderrollen-Denken verfällt. Der Versuch, sie dabei irgendwie emanzipiert darzustellen, ist da leider etwas gescheitert - und ja, es passt zur Figur. Aber schade und ein wenig unpassend war es an dieser Stelle irgendwie trotzdem.

Aber dennoch habe ich das Buch sehr genossen und ich bin froh, es gelesen zu haben.
Alles in allem also knapp 4 Sterne.