A review by misssophiereads
Die Drachenkämpferin: Im Land des Windes by Licia Troisi, Bruno Genzler

adventurous dark fast-paced
  • Plot- or character-driven? A mix
  • Strong character development? It's complicated
  • Loveable characters? No
  • Diverse cast of characters? No
  • Flaws of characters a main focus? Yes

3.0

(2 Sterne + ein Nostalgie-Stern)

Ich habe dieses Buch das erste Mal als Kind gelesen, weshalb bei dieser erneuten Lektüre eine gehörige Portion Nostalgie mitschwang. Nihal war eines der ersten schwertschwingenden Mädchen, das mir auf einer Buchseite begegnete und ich erinnere mich, wie sehr ich sie damals bewunderte. Nun, etwa 15 Jahre später, habe ich ein wenig mehr Lese- und Lebenserfahrung und einen etwas anderen Blick.

Ist dies ein gutgeschriebenes Buch? Nicht wirklich. 
Hatte ich trotzdem Spaß damit? Ja. (Jedoch vor allem der Nostalgie geschuldet.)

Der Schreibstil ist sehr eigenwillig, distanziert, beschreibend und stellenweise ungeheuer antiquiert. Dies könnte möglicherweise an der Übersetzung liegen, vielleicht schreibt die Autorin aber wirklich so. Aus diesem Grund konnte ich mich auch selten wirklich in die Geschichte fallen lassen, ich hatte aber meinen Spaß damit, einigen deutschen Begriffen zu begegnen, die ich lange nicht mehr gesehen hatte. Nur eine Sache hat mich furchtbar gestört und zwar dass stets "indem" verwendet wurde, wenn Wörter wie "als", "während", "nachdem" treffender gewesen wären. 

Die Geschichte selbst ist an sich recht simpel - Mädchen möchte eine Kriegerin werden, um den Tyrannen zu stürzen, welcher ihre Welt bedroht, aus Gründen, welche im Laufe der Geschichte enthüllt werden. Von den Drachen, die der Titel verspricht, sieht man leider in diesem Band recht wenig, das sollte man vielleicht wissen, bevor man aus diesem Grund zu diesem Buch greift. 
Wir treffen Nihal, als sie etwa 13 Jahre alt ist und begleiten sie bis zu ihrem 18. Lebensjahr, der Plot ist recht zackig und auch wenn etwas im Text selbst lange dauert, wird es meist doch rasch erzählt. Da sehr viel erzählt, statt gezeigt wird, will sich auch keine rechte Nähe zu den Charakteren aufbauen, welche alle etwas stereotyp verbleiben. 

Nihal selbst ist eine unbequeme Hauptfigur. Sie ist stolz, störrisch, starrköpfig, verschlossen, setzt ihren eigenen Willen durch, auch gegen Befehle ihrer Vorgesetzten. Dies bleibt jedoch nicht ohne Konsequenzen. Ja, Nihal ist eine sehr begabte Schwertkämpferin, aber alle die von mir aufgezählten negativen Charakterzüge werden ihr auch immer wieder zum Verhängnis. Verschiedene Charaktere sanktionieren ihr rücksichtsloses Verhalten und gerade diese Spannung fand ich sehr interessant. Aufgrund der Ereignisse, die sie durchlebt, ist nachvollziehbar, warum sich Nihal verhält wie sie es tut und die Geschichte stellt dies nicht in ein positives Licht. Kurz gesagt, es ist hier sehr viel Entwicklungspotential für die kommenden Bände vorhanden (ich erinnere mich leider nicht, ob sich dieser Wunsch nach Entwicklung auch tatsächlich erfüllt...).
So stereotyp Nihal grundsätzlich auch ist, sie ist weit entfernt davon, perfekt zu sein, was sie von vielen "not like other girls" Charakteren unterscheidet. Sie verhält sich wie ein Teenager, also genau ihrem Alter entsprechend. Dass das wenig rational sein kann, ist recht realistisch. Muss einem aber auch nicht gefallen.

Und dies ist eine weitere Seite, die mich an dem Buch überrascht hat - die Gesellschaft ist grundsätzlich sehr konservativ geprägt, Männer gehen kämpfen, Frauen schmeißen den Haushalt. Der Text selbst stellt dies auch nicht in Frage. Dies ist kein besonders feministisches Buch, in der Hinsicht, dass Nihals grenzüberschreitendes Verhalten als schwertkämpfendes Mädchen als nachahmenswert dargestellt würde. Es findet jedoch auch keine Herabwürdigung von Mädchen und Frauen statt, die sich stereotyp "weiblich" verhalten, Kleider tragen, heiraten und Kinder bekommen, häusliche Arbeit verrichten. Auch Nihal wird erlaubt, sich selbst schön zu finden, ein Kleid tragen zu wollen, ohne ihre Kampfmontur dagegen aufwiegen zu müssen. Auch gibt es kurze Momente der Freundschaft zwischen Nihal und anderen Frauen, ohne dass Eifersucht oder Überlegenheitsgefühle mit im Spiel sind. Dies ist eine Seite, die ich in modernerer Literatur über kämmpfende Frauen und Mädchen oft vermisse.

Zum Schluss noch einige Worte über die Welt. Auch dies ist eine typische Fantasy-Welt, "mittelalterhaft", verschiedene humanoide Wesen, darunter auch magisch erschaffene Bestien, welche dem Tyrannen dienen und so problemlos kaltblütig abgeschlachtet werden können. Die Motivation des Tyrannen ist schlichtweg Zerstörungswut, zumindest wird dies bisher so dargestellt. Der Krieg, den die verschiedenen Länder gegen ihn führen, macht stellenweise wenig Sinn - so haben Soldaten etwa "Urlaub", obwohl immer wieder von hohen Todeszahlen und Bodenverlusten die Rede ist. Auch lustig fand ich, dass die Festung des Tyrannen wohl so groß ist (oder der Kontinent so klein?), dass sie selbst hunderte Kilometer entfert (so scheint es zumindest auf der Karte) noch sichtbar ist.

Würde ich dieses Buch also empfehlen? Nur mit großen Einschränkungen. Es gibt sicherlich viele andere Bücher mit schwertschwingenden Mädchen, die auf Drachen reiten, die besser geschrieben sind, als dieses hier.
Ich werde Nihal trotzdem weiter durch die Reihe folgen, hauptsächlich, weil ich wissen möchte, ob die Bücher an Qualität gewinnen.