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nettebuecherkiste 's review for:

The Book of Night Women by Marlon James
5.0

Jamaika im 18. Jahrhundert: Auf einer Zuckerplantage wird ein Sklavenmädchen mit auffällig grünen Augen geboren: Liliths Mutter ist bei ihrer Geburt gestorben, ihr Vater ist der weiße Aufseher. Ihre Zieheltern Circe und Tantalus haben aus bestimmten Gründen einen Sonderstatus inne, weshalb sie lange vom elenden Sklavenalltag verschont bleibt. Das ändert sich jedoch, als sie heranwächst und als potenzielle Arbeiterin und Lustobjekt wahrgenommen wird. Als ein höhergestellter Sklave sie vergewaltigen will, tötet sie ihn aus Notwehr. Die ältere Haussklavin hilft, den Vorfall zu vertuschen, und nimmt Lilith unter ihre Fittiche. Doch auch Homer ist weniger unterwürfig, als es den Anschein hat, und hat ihre Geheimnisse.

„I goin‘ call her Lilith. You can call her what they call her“. (Seite 3)

Namen spielen eine große Rolle in Marlon James‘ Roman aus dem Jahr 2009. Sie haben große Symbolkraft und bringen die Leser von Beginn an zum Nachdenken. Alle Sklaven außer Lilith tragen Namen aus der griechischen Mythologie, Lilith bekommt ihren Namen hingegen von der unbekannten Erzählerin. Lilith kann eine dämonenartige sumerische Göttin sein oder aber die erste Frau Adams:

„Lilith wurde im Feminismus zu einem Symbol als Gegenheldin zur biblischen Eva, die in der patriarchalen Tradition stehe“ (Wikipedia)

Es scheint daher klar, was wir von Lilith als Protagonistin zu erwarten haben: Rebellion, Magie, Emanzipation.

Auch Homers Name wirft Fragen auf. Wieso trägt sie einen männlichen Namen?

Die Namen sind nur ein Aspekt, der die Lektüre dieses Buches zu einem Vergnügen macht. Geschrieben ist das Buch so, wie eine jamaikanische Sklavin gesprochen hätte. Das ist zunächst einmal gewöhnungsbedürftig, ich habe mich jedoch schnell daran gewöhnt. Ein wenig bedauere ich es, dass ich nicht zum Hörbuch gegriffen habe, in dem die Sprache sicher noch besser zur Geltung kommt.

Wie von einem Buch über Sklaverei zu erwarten, ist Gewalt ein großes Thema. James treibt dies bis an die Grenzen des Erträglichen (oder auch darüber hinaus), darauf müssen Leser gefasst sein. Leider ist dies wohl nur realistisch. Besonders sexuelle Gewalt ist an der Tagesordnung, dient der Bestrafung und Demütigung der Sklavinnen, die wie selbstverständlich als Lustobjekte für die Weißen herhalten müssen. Doch Lilith trifft in Robert Quinn auf einen Weißen, der echtes Interesse an ihr zu entwickeln scheint und sie schließlich sogar dazu bringt, ihren rebellischen Charakter infrage zu stellen. Sie ist schockiert, als er sie küsst, denn das ist eigentlich den weißen Ehefrauen vorbehalten. Mit ihm entdeckt sie nicht nur ihre eigene Sexualität, sondern erfährt auch, dass Sex nicht zur eine Waffe gegen sie ist, sondern auch Frauen Macht verleihen kann. Doch wie weit geht die Liebe der beiden, hält sie den Umständen stand?

Ein weiteres Mittel, das von den Sklavinnen auf der Plantage eingesetzt wird, sind die in der Karibik aus afrikanischen Traditionen entstandenen Zauberreligionen Obeah und Myal, die an Voodoo erinnern. Interessant ist unter anderem in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung einer weißen Figur des Romans, Isobel, die zunächst auf der Ebene der Plantagenbesitzer steht, jedoch im Laufe des Romans immer mehr ihrer weißen Eigenschaften verliert, beginnt, Ausdrücke der Sklaven zu verwenden und sogar Kenntnisse der Sklavenreligionen an den Tag legt.

Marlon James‘ Roman hat viel zu bieten und liest sich trotz der im Dialekt gehaltenen Sprache gut. Ein sehr gelungener Roman über Sklaverei in der Karibik.