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A review by imaginary_space
Drei Frauen träumten vom Sozialismus by Carolin Würfel

challenging informative reflective sad medium-paced

4.0

"Wer sozialistisch gefestigt war, brauchte keine Zensur, aber dort, wo die Wahrheit schief hing, musste man unbedingt einschreiten."

"Und ich frage mich, wie hoch der Preis unter Umständen wäre, den ich für dieses Heimatgefühl zu zahlen bereit wäre. Ich frage mich, welchen Preis ich täglich unbewusst zahle, einen Preis in der Münze: Wegsehen, weghören oder zumindest: schweigen." - Christa Wolf 

Das Buch ist exzellent recherchiert, aber ich habe einen Stern abgezogen, weil der Schreibstil nicht immer passend ist und das Kapitel, das als Brief an eine der Schriftstellerinnen formuliert ist, mich irritiert hat. Das passt so gar nicht zum Rest und wirkt für ein Sachbuch seltsam persönlich.

Allerdings ist es allein wegen des Themas schon lesenswert. Maxie Wander, Brigitte Reimann, Christa Wolf – drei Schriftstellerinnen der DDR, deren frühe Biografien unterschiedlicher nicht sein könnten. Thematisch geht es gleich hart mit dem Zweiten Weltkrieg und seinen Auswirkungen los, besonders natürlich denen auf die Individuen und ihr Umfeld. 
Es ist faszinierend, wie diese drei Frauen, die aus völlig unterschiedlichen Verhältnissen stammen, im Leben mit ähnlichen Problemen konfrontiert wurden.
Viele Erwähnungen des DDR-Alltags kommen mir aus Erzählungen meiner Familie bekannt vor, und auch die Mysogynie, die den dreien entgegen schlägt, bleibt nicht unerwähnt. Ich habe sogar verstanden, wie man zum damaligen Zeitpunkt auf die Idee kommen könnte, dass es mit der Mauer in der DDR freier sein würde.
Jede der Schriftstellerinnen kommt durch ihre Handlungen mal unsympathisch rüber, und durch die Einordnung ist immer eine Nachvollziehbarkeit gegeben, aber wie stark man diese wertet, muss man als Leser*In selbst entscheiden. Der Text versucht also durchaus, zu erzählen und nicht zu bewerten, was ihm allerdings an zwei oder drei Stellen nicht ganz gelingt. Da ist dann die verwendete Sprache für das Geschilderte doch zu romantisierend, meiner Meinung nach.

Schade, dass keine Bilder enthalten sind, vor allem, da sich an einigen Stellen auf konkrete bezogen wird. Aber das war vermutlich eine ökonomische Entscheidung, um den Preis des Buches niedriger zu halten.

Zitate:


"Freiheit war für ihre Generation eine komplizierte Geschichte. Freiheit musste hinter die sozialistische Sache treten und das war ein teurer Preis."

Ich glaube, ich werde noch eine Weile darüber nachdenken, was ich getan hätte, wenn ich von der Idee der DDR wirklich überzeugt gewesen wäre. Wieviel Freiheit gibt man auf für ein solches Ideal? 

"Sie musste selbst erst Schriftstellerin werden, um zu der Einsicht zu gelangen, dass man Bücher nicht nur rein ideologisch betrachten kann."

"Den Kurs am Ende ändern würde ja das ganze eigene Dasein in Frage stellen." 

Zum Schluss noch ein höchst aktuelles Zitat von Brigitte Reimann:

"Das war nicht Hitler, das waren wir alle."
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