A review by missbookiverse
Fallout by Ellen Hopkins

5.0

Lang und breit
Wenn man schon mehr als zwei Bücher von Ellen Hopkins gelesen hat, könnte man ihr schnell vorwerfen, sie würde ihre Figuren stets von einer misslichen Lage in die nächste schicken, nur um Schockmomente und Drama zu erzeugen. Manchmal fühlt sich das so an. Können Menschen wirklich so viel Pech auf einmal haben? Wenn man sich mal die Biografie der Autorin anschaut, werden die Augen schnell größer. Ja, anscheinend kann ein einziger Mensch wirklich so viel in seinem Leben durchmachen.
Ellen Hopkins betont zwar immer wieder, dass ihre Bücher alle Fiktion sind und nur die Crank-Reihe auf wahren Erlebnissen beruht, aber man merkt doch, dass sich das ein oder andere Thema (Drogenmissbrauch, Gewalt durch Familienmitglieder, Adoption) immer wieder findet. Sie hat sogar das Bücherschreiben-über-das-Leben-mit-einer-drogenabhängigen-Tochter mit in ihren Roman aufgenommen. Das heißt, die Person, die in Fallout Ellen Hopkins verkörpert, hat auch in Fallout ein Buch über ihr Leben verfasst. Das fand ich ein wenig seltsam und es hat mich extrem neugierig darauf gemacht, was genau nun Fiktion und was Wirklichkeit ist.

Fallout ist der finale Teil der Crank-Trilogie. Während Crank und Glass aus der Sicht von Kristina erzählt werden – einem Mädchen, das der Drogensucht verfällt – bricht Ellen Hopkins mit Falloutendlich aus diesem Schema aus. Ich war schon von Glass teilweise gelangweilt und deprimiert, weil Kristinas Story einfach ein endloser Teufelskreis ist, aber in Fallout kommen nun drei ihrer fünf Kinder zu Wort.

Hunter, Autumn und Summer bieten eine erfrischende Abwechslung zu Kristinas ewigem Leidensspiel. Natürlich ist auch in ihren Leben fast nichts rosarot. Der älteste Sohn Hunter hat es noch am Besten erwischt: er wurde von seinen Großeltern adoptiert und ist in einer liebevollen Umgebung aufgewachsen. Tochter Autumn wurde vom Großvater und ihrer Tante väterlicherseits aufgezogen, kein schlechtes Los, aber sie sehnt sich danach, zu wissen, wer ihre Mutter ist. Summer hat es mit der Wohnsituation am Schlimmste getroffen, sie zieht von einer Pflegefamilie zur nächsten. Alle drei kämpfen mit den Nachwirkungen einer drogendurchzogenen Schwangerschaft und mit der ständigen Angst so zu enden wie ihre Mutter.

Die drei Erzählperspektiven werden durch den Namen in der Überschrift angekündigt und unterscheiden sich durch unterschiedliche Schriftarten. Sonst sind sie leider gar nicht so leicht voneinander zu trennen. Durch die Kargheit des Versstils klingen alle Stimmen ziemlich gleich. Vor allem bei den beiden Mädchen (die dann auch noch beide wie Jahreszeiten heißen) musste ich immer wieder bewusst darüber nachdenken, welcher Handlungsstrang zu wem gehört. Das Lesen wurde dadurch nicht enorm beschwert, aber hier hätte es definitiv noch Platz für Verbesserung gegeben.

Da Kristina ihre fünf Kinder mit vier verschiedenen Männern gezeugt hat, ist der Stammbaum in Fallout dementsprechend groß. Manchmal wurden mir die ganzen Namen einfach zu viel und ich wusste nicht, über wen gerade geredet wird. Gerne hätte ich auch mein Gedächtnis mit Crank und Glass noch mal aufgefrischt, da viele Personen aus diesen Büchern wieder auftauchen bzw. Erwähnung finden. Ein wenig Abhilfe schafft übrigens der Fallout Family Tree, den man auf Ellen Hopkins’ Website herunterladen kann.

Trotz Kritik kann ich Stil und Inhalt nur hochloben. Ich bin problemlos in die Geschichte gerutscht und war immer wieder sofort gefangen. Wenn meine Bahnhaltestelle mich zum Aufhören gezwungen hat, hatte ich regelrecht das Gefühl aus einer anderen Welt aufzutauchen. So dramatisch die Geschehnisse auch sein mögen, sie haben sich alle real angefühlt. Es ist beeindruckend wie authentisch Ellen Hopkins aus so ziemlich jeder Sicht schreiben kann, egal ob männlich oder weiblich, jung oder alt.

Im Gegensatz zu Crank und Glass hatte ich in Fallout das Gefühl, dass die Figuren auch mal schöne Momente erleben dürfen, ohne dass danach direkt wieder die Welt untergeht. Sie machen erste Erfahrungen vor allem im Bereich Liebe und lernen Vertrauen zu anderen Menschen aufzubauen.
Die Realisierung, die alle drei auf der letzten Seite befällt, hat mir Gänsehaut verursacht. Natürlich ziehen sich diese Gedanken schon durch das gesamte Buch, aber auf dieser letzten Seite zusammengefasst, sind sie mir erst richtig klar geworden.

Kurz und knapp
Fallout ist ein überaus würdiger Abschluss der Crank-Trilogie, der alles wieder rausholt, was Glass ein wenig versiebt hat. Die neue Perspektive bringt frischen Wind in die Geschichte und erlaubt auch mal positive Momente im Leben der Protagonisten.