A review by missbookiverse
Far from You by Lisa Schroeder

3.0

Inhalt
Alice hat ihre Mutter verloren. Ihr Vater ist darüber schneller hinweggekommen als ihr lieb ist, seine neue Freundin wohnt nicht nur bereits mit im Haus, sie bekommt auch schon ein Baby von ihm. Alice kann nichts mit ihrer Babyschwester anfangen und lenkt sich lieber mit dem Songschreiben und ihrem Freund Blaze ab.
Als sie gezwungen wird über die Feiertage mit ihrer Familie die Eltern ihrer Stiefmutter zu besuchen, könnte sie genervter kaum sein. Auf der Rückfahrt gerät sie nur mit ihrer Stiefmutter und ihrer kleinen Halbschwester in einen gefährlichen Schneesturm und plötzlich steht einer Aussprache nichts mehr im Weg. Dabei keimen ungeahnte Gefühle in allen Beteiligten auf während der Sturm um sie immer heftiger tobt und die Straßen immer unüberschauberer werden...

Rezension
Gleich zu Beginn fiel mir auf, dass Lisa Schroeder wohl unheimlich gern über die Verluste von verstorbenen Menschen schreibt. Mich würde interessieren, ob sie da persönliche Erfahrungen hat. Anders kann ich mir die Überreizung dieses Themas kaum vorstellen. In I Heart You, You Haunt Me verliert ein junges Mädchen ihren Freund und auch in Chasing Brooklyn (das ich noch nicht gelesen habe) scheint es darum zu gehen. In Far From You handelt es sich allerdings um einen Elternteil, der verstorben ist. Dank dieser Konstellation sind natürlich die Verlustgefühle ganz andere. Alice fällt es schwer über den Tod ihrer Mutter hinwegzukommen, das merkt man dem Buch an und ich konnte ihr Leid sehr gut nachvollziehen.

Die Autorin schildert in ihrem Roman eine komplizierte Familiensituation. Alice fühlt sich ignoriert und ausgestoßen von ihrem eigenen Vater. Ihrer Stiefmutter traut sie nicht über den Weg und hält sie für hinterhältig. Immer wieder wurden mir Beweise dafür geliefert, dass Alice sich das alles nicht wie ein trotziges Kind einbildet sondern, dass sie wirklich unfair behandelt wird. Das ehemalige Atelier ihrer Mutter wird beispielsweise ohne ihr auch nur Bescheid zu geben in das neue Zimmer ihrer Halbschwester umgewandelt. Später soll sie an einem mehrtägigen Besuch bei einer Familie teilnehmen, die sie nicht mal kennt und die nicht mit ihr blutsverwandt ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass Alices Verhalten für einige egoistisch rüberkommt, ich konnte sie aber gut verstehen und war erbost und schockiert über die Dinge, die ihr angetan werden. Dieses Dramarama hat mir gut gefallen, weil ich mich dadurch sofort mit der Protagonistin verbünden wollte und weil ich mich theoretisch gern über so etwas aufrege.

Wie Lisa Schroeders andere Romane ist auch Far From You in Versform geschrieben. Meiner Meinung nach ziemlich unnötig, da die Autorin das Potential einer solchen Schreibform einfach nicht ausnutzt. Ab und zu werden zwar ein paar Worte umgestaltet (die Buchstaben von „snowflakes“ sind z.B. wild verteilt, um ein Schneetreiben zu verbildlichen) oder Absätze sinnvoll genutzt, aber insgesamt sind Lisas Verse doch nur knappe Sätze mit vielen Absätzen. Zu Beginn hat mich die Versform gestört, weil sich die kurzen Sätze dadurch viel zu abgehackt gelesen haben. Ich habe mich aber schnell daran gewöhnt, einfach hintereinander wegzulesen. Der Lesefluss hat so wieder gestimmt, aber der Sinn der Verse ging komplett verloren.
Also liebe Lisa Schroeder, ich würde dir gern Hausaufgaben aufgeben: entweder, du studierst eingiebig ein paar von Ellen Hopkins’ Romanen – die Frau weiß nämlich wie man in Versform schreibt – oder du gewöhnst dir einen Schreibstil a la Lisa McMann an – diese Autorin schreibt nämlich hintereinander weg, aber auch wunderbar kurz und prägnant.

SpoilerWie schon zu Beginn vermerkt, konnte ich den Schmerz über den Verlust von Alices Mutter nachvollziehen. Dennoch fand ich es kitschig sie in Form eines Engels zu Alice zurückkehren zu lassen. Alles in allem hat es zwar gepasst, dass das Mädchen in höchster Not, möglicherweise kurz vorm Sterben, eine Erscheinung ihrer Mutter sieht, aber die Autorin hätte das Wort Engel einfach nicht mit ins Spiel bringen sollen. Das programmiert Kitsch doch irgendwie schon vor.

Ähnlich fruchtig geht auch das Ende von statten. Nachdem Alice und co. gerettet wurden, kehrt das Leben wieder zur Normalität zurück. Alice hat nun einen Draht zu ihrer kleinen Schwester und ihrer Stiefmutter gefunden, sie verträgt sich wieder mit ihrer besten Freundin, hat den Tod ihrer Mutter einigermaßen verkraftet, ihr Vater widmet ihr wieder Aufmerksamkeit und auch ihr Freund liebt sie nach wie vor (Blaze stand ich übrigens das ganze Buch lang skeptisch gegenüber, seine Figur war so seltsam angelegt, als könne man ihm nicht vertrauen). Friede Freude Trallala. Es macht zwar Sinn, dass man viele seiner Einstellungen nach so einem einschneidenden Erlebnis ändert, aber es war doch ein bisschen zu viel des Guten.


Offene Fragen
Wird Lisa Schroeder auch mal einen nicht in Versen verfassten Roman veröffentlichen?

Fazit
Ein Buch, das man dank der Versform innerhalb eines Tages lesen kann, am besten wenn es draußen heftig schneit. Lisa Schroeder erzählt eine interessante Geschichte über den Verlust eines Elternteils und wie schwer es sein kann, wenn sich plötzlich eine völlig neue Familie bildet. Auf ihre Versform hätte sie hier getrost verzichten können. Die Sätze lesen sich zwar schnell, aber lyrisch kommen sie eher weniger rüber. Inhaltlich rutscht das Ganze am Ende ins Kitschige ab, aber eine lesenswerte Geschichte steckt trotzdem drin.

[3 STERNE]

Optische Gestaltung
Ich mag das Cover des Paperbacks unheimlich gern, es ist tausendmal schöner als das Blaue auf dem Hardcover. Ich glaube nicht, dass eine der Romanfiguren auf dem weißen Cover abgebildet sein soll, stattdessen finden sich viele Buchelemente wieder wie der Schnee oder die Flügel. Völlig passend ist es demnach nicht, aber mit dem toll gesetzten Titel trotzdem ein Hingucker.
Die Schneeflocken in der Innengestaltung fand ich überaus passend und hübsch, die Titel der Überschriften sind in der gleichen Schrift wie in I Heart You, You Haunt Me gesetzt - die Schrift, in der einige Buchstaben schier unmöglich zu lesen sind - Minuspunkt.

Trivia
Wer eine besondere Vorliebe für Alice im Wunderland hat, könnte dieses Buch ganz besonders mögen. Die Protagonistin ist nicht nur nach der berühmten Alice benannt, im Roman wird die Geschichte auch immer wieder aufgegriffen.

Bücher, in denen die Versform weitaus kunstvoller eingesetzt wird:
Samantha Schutz – I Don’t Want To Be Crazy
Ellen Hopkins – Crank