A review by missbookiverse
All the Rage by Courtney Summers

4.0

Der Einstieg in das Buch ist ein wenig verwirrend. Viele Erinnerungsfetzen, ein Zeitsprung und dann geht es los, ohne dass man genau weiß, was wann mit wem passiert ist. Allerdings puzzelt man sich die Ereignisse schnell zusammen und schon ist man drin, in Courtney Summers mitreißendem Lesesturzbach.

Ich will kein Geheimnis darum machen, dass es in dem Buch um mindestens eine Vergewaltigung geht. Romy spielt dabei nicht die typische Opferrolle. Sie ist zwar in sich gekehrt, reagiert aber auf sämtliche Anfeindungen mit bissiger Schlagfertigkeit und eisiger Kühle. Das fand ich kraftvoll und ermutigend zu lesen. Natürlich belastet sie das Verbrechen emotional, aber sie gibt der Welt nicht komplett klein bei (wobei ich diese Reaktion genauso nachvollziehbar fände). Stattdessen achtet sie auf ihre perfekt lackierten Fingernägel und rot geschminkten Lippen. Diese Macke zieht sich als Stilmittel durchs komplette Buch. Rot wie die Sünde und Verführung, aber auch Rot wie die Wut.
Wut hat sich schon nach wenigen Kapiteln bei mir ausgebreitet. Der Titel ist Programm. Diese Kleinstadtidioten treiben mich an den Rande des Wahnsinns mit ihrer Engstirnigkeit und ihren Vorurteilen. Was da manche vom Stapel lassen oder sich herausnehmen über andere zur urteilen. ARRRGH! Geht verrotten in einer Welt ohne Schokolade und Bücher! Leider ist die Darstellung so einer Gemeinde wohl ziemlich realistisch. Ich kann mir vorstellen, dass heutzutage noch vielerorts so mit einer Vergewaltigungsbeschuldigung umgegangen wird.

Zum Glück hat Romy eine liebevolle Mutter und den tollsten Stiefvater der Welt in ihrem Zuhause. Sie lässt die beiden zwar wenig an sich ran, aber jede kleine Geste der beiden hat mein Herz zu Karamellsoße geschmolzen. Und einen besonderen Jungen gibt’s übrigens auch noch, und zwar, Achtung Diversity, mit schwarzer Hautfarbe. Den einzigen Minuspunkt gibt es für den wahllosen Truckertypen. Der wirkte mir wie nachträglich in die Geschichte geworfen, um ein bisschen Verwirrung zu stiften.

Was das Thema Rape Culture angeht, hat das Buch alles richtig gemacht, denn es kommt nie belehrend daher. Es werden viele kleine Diskussionen rund um das Thema angestoßen, aber Romy geht nie aktiv darauf ein und tritt so nie als Moralapostel auf. Man muss definitiv selbst mitdenken und die subtilen Feinheiten rausfiltern und in Frage stellen. Ich mag das. Soweit können wir inzwischen nämlich hoffentlich alle selbst denken.