A review by missbookiverse
Die Prophezeiung der Schwestern by Alexandra Ernst, Michelle Zink

3.0

Inhalt
Dieser Roman spielt im New York von 1890 und erzählt von den Zwillingsschwestern Lia und Alice. Die beiden haben sich über die Jahre, geprägt durch die Tode ihrer Eltern, immer mehr auseinander gelebt. Inzwischen ist Alice Lia ziemlich fremd. Eines Tages entdeckt Lia in der Bibliothek ihres kürzlich verstorbenen Vaters ein Buch mit einer Geschichte/Prophezeiung, die das plötzlich erschienene Mal auf ihrem Handgelenk zu erklären scheint. Über einen Zufall gerät sie an die Hellseherin Sonia, die ein ähnliches Zeichen trägt und ihr mehr Antworten geben kann. Anscheinend sind Alice und Lia Teil einer jahrhundertealten Prophezeiung. Eine Schwester soll die Wächterin sein, die andere das Tor, durch das die verlorenen Seelen in die Welt eindringen und sie ins Chaos stürzen können. Lia will mit allen Mitteln verhindern, dass so etwas geschieht. Sie muss herausfinden wie viel Alice bereits von der Prophezeiung weiß, welche Rolle ihre eigenen Eltern in der Sache gespielt haben und vor allem, ob sie das Tor oder die Wächterin ist, ob sie für die gute oder böse Seite kämpfen möchte.

Rezension
Die Prophezeiung der Schwestern ist der Auftakt zu einer Trilogie mit gleichnamigem Titel. Insgesamt hält die Geschichte ein paar gute Handlungsstränge parat, kommt in der Ausführung aber noch ein wenig holprig daher.

Die Grundidee von zwei Schwestern, die aufgrund einer Prophezeiung in dem Zwiespalt stehen sich zu einer Seite zu bekennen, ihre Bestimmung zu erfüllen und sich dadurch möglicherweise gegen die eigene Schwester zu stellen, finde ich sehr interessant. In diesem Stoff steckt viel Potenzial, vor allem wenn sich wie hier die eine Schwester der bösen Seite zuwendet. Leider bekommt man davon viel zu wenig mit. Die Geschichte wird ausschließlich aus Lias Sicht geschildert und Lia ist eher die gute Schwester. Sie will das Wohl der Welt mit aller Macht beschützen und sich wenn es nötig ist auch gegen ihre Schwester stellen. Alice liebäugelt nämlich offensichtlich mit der dunklen Seite. Allerdings kriegt man davon nur so verdammt wenig mit, dass es richtig ärgerlich ist. Wenn ich ehrlich bin, ist nämlich Alice die interessantere Schwester. Warum fühlt sie sich von der dunklen Seite so angezogen? Wie weit ist sie bereit zu gehen? Hat sie manchmal Zweifel? Aber Alice wird immer nur von außen betrachtet. In den meisten Szenen ist sie nicht mal anwesend und das finde ich wirklich schade, da ihr Charakter in meinen Augen so viel Spielfläche bietet.
Lia hingegen ist durchweg sympathisch. Nach den schweren Schicksalsschlägen in ihrer Familie möchte sie eigentlich nur ein ruhiges Leben führen, am liebsten mit James an ihrer Seite. Aber die Prophezeiung scheint nun all dies zunichte zu machen. Trotzdem verweigert Lia sich ihrem Schicksal nicht, sondern nimmt es auf sich womöglich die ganze Welt zu retten. Irgendwie langweilig. Ich fand Lia während des Lesens zwar nicht doof, aber so im Nachhinein ist sie zu seicht konzipiert. Sie lässt sich nicht wirklich vom Weg abbringen (obwohl da so ein paar Momente sind, die auf Spannendes in den kommenden Teilen hoffen lassen) und bleibt zwar nicht immer das brave aber stets das gute Mädchen.

Gut gelungen sind Michelle Zink die Prophezeiung und die damit verbundenen Geheimnisse und Verkettungen. Schritt für Schritt werden mehr Teile des Rätsels aufgedeckt, die auf ein cleveres Grundgerüst zurückgehen. Vor allem die Sache mit dem Umstand der Geburt der beiden Zwillinge hat mir gut gefallen. Was es mit den Schlüsseln auf sich hat, habe ich zwar schneller erahnt als die Charaktere es begriffen haben, aber sie waren nicht völlig schwer von Begriff und das Tempo, in dem die Enthüllungen stattfanden, passte gut.

Sprachlich rutschen ein paar Vergleiche ins Kitschige ab, insgesamt ist der Stil aber passend zum Jahr 1890 gewählt und wirkt gepflegt und bedacht, eben authentisch für eine junge Dame dieser Zeit. Überhaupt ist es interessant einen Blick auf das New York von früher zu werfen. In den USA war damals schon einiges fortgeschrittener als beispielsweise in London. Zu Beginn war ich ein wenig verwirrt, weil alles zu modern wirkte, aber das liegt sicher daran, dass die anderen Bücher aus dieser Zeit, die ich bisher gelesen habe, alle in Großbritannien gespielt haben.
Der Erzählstil ist manchmal etwas ausschweifend, fließt aber gut voran. Ein wenig ungeschickt fand ich Wahl der Zeitform, es wird nämlich alles im Präsens erzählt. Das funktioniert beim Lesen zwar ganz gut, aber die Vergangenheitsform hätte mir bei dieser Geschichte besser gefallen.

Was noch mehr Kreativität und Spannung vertragen hätte, sind die Anderswelten und das Reisen auf den Schwingen. Ich finde Träume oder ähnliche Zustände in Büchern oft nicht so prickelnd, aber hier hätte ich die Seiten fast überblättert, um voranzukommen.

Insgesamt fehlt dem Buch irgendwie noch an Pepp. Eine tolle Grundidee ist da und auch die Charaktere sind absolut ausbaufähig und liebenswert. Ich möchte gern mehr Zeit mit ihnen verbringen, aber dann soll bitte auch richtig die Post abgehen und nicht alles nur so schwarz-weiß/gut-böse dargestellt werden.

Zusammenhang
Ich glaube, Die Prophezeiung der Schwestern ist so ein richtig typischer erster Trilogie-Teil. Alles wird erst mal vorgestellt und gefestigt. Anschließend werden ein paar Geheimnisse gestreut und am Ende nimmt man sich vor den nächsten Teil zu lesen, aber das muss halt nicht sofort sein. Ich werde den zweiten Teil ganz bestimmt lesen, mir ging es nämlich schon bei A Great And Terrible Beauty so, dass ich den ersten Teil nur mittelmäßig fand und die beiden Nachfolger grandios.
Richtig toll fände ich es, wenn Teil 2 aus Alices Sicht erzählt werden würde. Das würde dem Charakter auf jeden Fall die fehlende Tiefe verleihen.

Offene Fragen
Kann der Schlüssel auch männlich sein?

Fazit
Ein lauwarmer Auftakt zu einer vielversprechenden Reihe. Sympathische Charaktere, interessante Geheimnisse, aber zu viel schwarz-weiß-Denken. Der Leser wird das Buch wohl entweder gelangweilt zurück ins Regal schieben oder einigermaßen interessiert den zweiten Band auf dem Wunschzettel notieren.

[3.5 STERNE]

Optische Gestaltung
Das deutsche Cover hat mir erst nicht so gut gefallen. Aber als ich es dann im Buchladen vor mir sah, hatte das Foto irgendwie doch eine unheimlich intensive Ausstrahlung und sah mit den geprägten, silbernen Ranken irrsinnig schick aus. Schade, dass mir das Cover von Teil 2 überhaupt nicht zusagt. Da werde ich wohl eher zur Originalausgabe greifen.

Trivia oder was ich aus diesem Buch gelernt hab
New York und London im 19. Jahrhunderts sind absolut nicht das gleiche.

Eine ähnliche Trilogie, allerdings in Großbritannien
Gemma Doyle Trilogie