A review by obscuredbyclouds
Unlearn Patriarchy by Lisa Jaspers, Naomi Ryland, Silvie Horch

2.0

Unlearn Patriarchy, das klang für mich entweder als Aufforderung oder als Hilfestellung, also entweder "Entledige dich des Patriarchats!" oder "SO löst du dich vom Patriarchat!" Als Aufforderung kann das Buch zwar verstanden werden, aber viel mehr ist es eine Einführung a la "All diese Bereiche sind vom Patriarchat betroffen", in der jedes Essay einen anderen Ton zu jeweils einem anderen Thema hat. Wer schon mal Bücher zum Thema Feminismus gelesen hat, wird das Problem kennen: Es gibt eigentlich nur grundlegende Einführungen ins Thema oder Akademische Texte dazu, zwischen gibt es wenig oder wenig Neues. Bücher, die sich intensiv ein Thema raussuchen und dabei trotzdem zugänglich und leicht zu lesen sind, sind viel zu spärlich gesät. "Unlearn Patriarchy" fällt klar in die Kategorie Einführunsgbuch, da in die leicht leserliche. Gleichzeitig habe ich mich beim Lesen gefragt, an wen sich gewendet wird. Denn es gibt sehr wenig Argumentatives, viel "stating the obvious" und "preaching to the choir". Das heißt eine Leserin muss a) bereits zustimmen, dass wir in einer patriarchalischen Gesellschaft leben und das etwas Schlechtes ist und b) nicht sehr informiert bzw belesen bezüglich der Themen sein. Ich bezweifle, dass dieses Buch aus irgendjemanden einen Feministen macht, der es nicht eh schon ist. Dagegen ist natürlich nichts einzuwenden, aber ich weiß nicht, wie groß die Schnittmenge für perfekte Leser tatsächlich ist. Andererseits, wenn man sich den Erfolg des Buches ansieht, hab ich da wohl Unrecht.

Zu mir als Leserin muss ich sagen, dass ich mich als Feministin verstehe, mich aber weder mit dem Choice-Feminismus der 2010er noch mit aktuellerem intersektionellem postmodernem Feminismus oder gar dem radical feminism vollständig identifizieren kann. Letzteren findet man in diesem Buch natürlich sowieso nicht, der Ton schwankt dafür eher zwischen sehr allgemeinem "mildem" common sense Feminismus und recht radikalem interesektionalem. Ich fand es positiv, dass der Ton und das Alter der Autoren genauso wie die Themen und Stile schwankten, aber gleichzeitig führt das auch (mit) zu einer sehr schwankenden Qualität.

Es war auffällig, dass mit die spannendsten Beiträge des Buches von den Herausgeberinnen zu den Theman Macht und Kapitalismus kamen. Auch die Beiträge zu Technologie, Bildung und Wissenschaft hatten interessante Impulse, wenn auch für mich persönlich wenig Neues. Dann gab es ein paar deren Perspektive ich interessant fand, die aber trotzdem nicht ganz gelungen waren. Laure Gehlhaars Beitrag zum Thema Sex und Behinderung beispielswiese und Ise Boschs etwas seltsame Beschreibung einer sehr reichen Erbin, die navel-gazy Selbstreflektion betreibt. Leider beginnt das Buch mit meiner Meinung nach den schlechtestens Essays der Sammlung. Kübra Gümüşays 1-er-Noten-Streberinnenstil, mit vielen Zitaten aber ohne richtig greifbare Thesen fand ich schon auf Buchlänge schwer erträglich, gefolgt von Linus Gieses extrem widersprüchlichen Kapitel zu Gender. Die restlichen Essays schwanken zwischen (zu) Persönlichem, Offensichtlichem und Behauptetem ohne gute Untermauerung. Ich finde es immer sehr schade, wenn feministische Texte (oder auch andere gesellschaftspolitische) von sich nicht den Anspruch haben zu argumentieren, sondern nur zu behaupten. Wozu genau ist man dann aktivistisch unterwegs?

Insgesamt ist das Buch schnell zu lesen und für ein deutsches Buch zum Thema, das einen Einblick (nicht aber einen Überblick) in ein paar verschiedenen Aspekte, die der Feminismus betrifft, gibt, ganz in Ordnung. Die Aufmachung ist wirklich optisch und haptisch toll.