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A review by pascalthehoff
Die Anomalie by Hervé Le Tellier
4.0
Bei sieben parallel eingeführten Figuren grenzt es an ein Wunder, wie robust jede dieser einleitenden Erzählungen ist. Ich tue mich sonst sehr schwer mit Kurzgeschichten oder kurzgeschichten-ähnlichen Erzählungen, aber diese Exposition hat mich zumindest nie verloren.
Manche Figuren sind arg überspitzt, aber das kommt dem übergreifenden Erzähltempo zugute. Denn die Charaktere fungieren primär als Vehikel für die philosophischen Thesen des Buches. Sie werden in einem Kapitel eingeführt... und dann gibt es in ihrem nächsten auch schon das Payoff.
Die Charaktere sind dadurch teils sogar ein wenig overwritten; denn nicht jede Figur rechtfertigt zu 100% ihren Charakterisierungsaufwand. Ich fieberte nie mit einem persönlichen Schicksal mit; es entstand eher eine intellektuelle Spannung der Sorte „Oh nein, was würde diese Situation nun für eine alleinerziehende Mutter bedeuten!?“ Um die Mutter als Figur habe ich mich dabei aber nicht geschert. Das Highlight bezüglich der Charaktere ist das Erstbegegnungskapitel, das den Wendepunkt der Geschichte aus vielen nuancierten Winkeln betrachtet.
Abgesehen davon sind die Science-Babbel-Passagen der eigentliche Star des Romans. Die Erzählung schießt sich zwar erstaunlich schnell auf Simulationstheorie ein, schafft es aber auch, diese – zuerst weit hergeholte – These überraschend fundiert und vielschichtig zu erklären. Dabei gibt es viele Anknüpfungspunkte an andere spannende existenzielle Themen wie außerirdisches Leben usw.
Insgesamt ist der Roman aber weniger originell in seinen Themen als in seiner Machart: Für ein Buch, das so große Ideen jongliert, ist Die Anomalie sehr kompakt und weiß, wie man abstrakte Themen zielgerichtet in einen emotionalen menschlichen Kontext setzt. Besonders genial in puncto Zugänglichkeit (und witzig noch dazu) ist Donald Trump als stand-in für unwissende Leser*innen. Alles andere als selbstverständlich in einem Buch, dessen Mitte sich für dutzende Seiten nur um wissenschaftlichen, metaphysischen und theologischen Diskurs dreht.
Kompakt bedeutet in diesem Roman aber auch: Es gibt sehr viel Aufbau – fast die Hälfte der Seiten – und wenn es dann richtig anfängt, ist es fast schon wieder vorbei. Umso mehr beeindruckt dann aber, wie sauber die Schleife hält, die der Roman am Ende dran macht.
Manche Figuren sind arg überspitzt, aber das kommt dem übergreifenden Erzähltempo zugute. Denn die Charaktere fungieren primär als Vehikel für die philosophischen Thesen des Buches. Sie werden in einem Kapitel eingeführt... und dann gibt es in ihrem nächsten auch schon das Payoff.
Die Charaktere sind dadurch teils sogar ein wenig overwritten; denn nicht jede Figur rechtfertigt zu 100% ihren Charakterisierungsaufwand. Ich fieberte nie mit einem persönlichen Schicksal mit; es entstand eher eine intellektuelle Spannung der Sorte „Oh nein, was würde diese Situation nun für eine alleinerziehende Mutter bedeuten!?“ Um die Mutter als Figur habe ich mich dabei aber nicht geschert. Das Highlight bezüglich der Charaktere ist das Erstbegegnungskapitel, das den Wendepunkt der Geschichte aus vielen nuancierten Winkeln betrachtet.
Abgesehen davon sind die Science-Babbel-Passagen der eigentliche Star des Romans. Die Erzählung schießt sich zwar erstaunlich schnell auf Simulationstheorie ein, schafft es aber auch, diese – zuerst weit hergeholte – These überraschend fundiert und vielschichtig zu erklären. Dabei gibt es viele Anknüpfungspunkte an andere spannende existenzielle Themen wie außerirdisches Leben usw.
Insgesamt ist der Roman aber weniger originell in seinen Themen als in seiner Machart: Für ein Buch, das so große Ideen jongliert, ist Die Anomalie sehr kompakt und weiß, wie man abstrakte Themen zielgerichtet in einen emotionalen menschlichen Kontext setzt. Besonders genial in puncto Zugänglichkeit (und witzig noch dazu) ist Donald Trump als stand-in für unwissende Leser*innen. Alles andere als selbstverständlich in einem Buch, dessen Mitte sich für dutzende Seiten nur um wissenschaftlichen, metaphysischen und theologischen Diskurs dreht.
Kompakt bedeutet in diesem Roman aber auch: Es gibt sehr viel Aufbau – fast die Hälfte der Seiten – und wenn es dann richtig anfängt, ist es fast schon wieder vorbei. Umso mehr beeindruckt dann aber, wie sauber die Schleife hält, die der Roman am Ende dran macht.