A review by missbookiverse
Blonde Roots by Bernardine Evaristo

4.0

In Blonde Roots dreht Evaristo die Geschichte der Sklaverei auf den Kopf, indem sie das Schwarze Afrika das weiße Europa hat versklaven lassen. Wir folgen dem weißen Sklavenmädchen Doris, die versucht, ihre Freiheit zurückzugewinnen.

Es ist ein geniales Gedankenspiel, das Evaristo hier anbietet. Die Umkehr der historischen Fakten zwingt zum ständigen Umdenken. Immer wieder musste ich mein Kopfkino anpassen, wenn die altbekannten Bilder von versklavten Menschen eingepfercht im Inneren eines Schiffs oder auf Baumwollfeldern arbeitend auftauchten, denn jetzt sind es die weißen Menschen, die diese Gräueltaten durchleben. Dieses Umdenken deckt die eigenen Vorurteile auf und stellt heraus, wie absurd viele rassistische Stereotype sind. Evaristo hat ihr Umkehrspiel auf allen Ebenen betrieben, von Orts- und Personennamen über Dialekte bis zu Schönheitsidealen und beliebtem Essen. Es macht Spaß, all die ironischen Verweise zu entdecken, auch wenn mir einige aufgrund fehlender einschlägiger Kenntnisse der britischen Kultur sicher entgangen sind.

Leider bleiben bei dem tollen Konzept die Protagonistin und ihre Geschichte auf der Strecke. Doris dient viel mehr als Projektionsfläche für die Idee, was vollkommen ausreichen würde, aber im letzten Drittel des Buches wird der Fokus so stark auf ihr persönliches Schicksal gelegt und weniger auf die Erkundung des Weltentwurfs, dass ich mich bis zum Ende des Romans ganz schön durchschleppen musste. Trotzdem: das Buch lohnt sich für sein originelles Gedankenexperiment.

[3.5 Sterne]