A review by missbookiverse
A Certain Slant of Light by Laura Whitcomb

2.0

Inhalt
Helen ist ein Geist, ein so genanntes „Licht”. Seit 130 Jahren begleitet sie verschiedene Menschen auf der Erde bis sie eines Tages einem gleichgesinnten Licht namens James begegnet. James hat es geschafft den Körper eines Menschen zu übernehmen, er kann wieder riechen, schmecken und fühlen. Um sich näher sein zu können, suchen die beiden auch einen „Wirtskörper“ für Helen. Als sie diesen in Form des Mädchens Jenny finden, scheint vorerst alles gut zu sein. Allerdings hat Helen nicht bedacht, dass sie nicht nur einen fremden Körper sondern auch ein fremdes Leben angenommen hat und das birgt das ein oder andere Geheimnis.

Lang und breit
Eigentlich hätte „A Certain Slant Of Light“ eine romantische, leicht tragische Geistergeschichte sein können. Das Grundgerüst war da, der Schreibstil auch, aber überzeugen konnte mich Laura Whitcomb aufgrund einiger inhaltlicher Details nicht.

Zu Beginn fand ich Helen süß. Ihre altmodischen Ansichten waren verständlich und haben sie liebenswert gemacht. Auch den gewissen melancholischen Ton, der in ihrer Erzählung mitschwingt, hat die Autorin fabelhaft eingewoben, nicht zuletzt durch die ständige Einbindung von Schreibenden und Gedichten.
Das englische Hörbuch, gelesen von Lauren Molina ist perfekt besetzt. Lauren Molina klingt jung, verletzlich und sehr zart. Sie hat Helens Charakter das letzte Fünkchen Leben eingehaucht.

Leider blieb mir Helen nicht das ganze Buch über so sympathisch. Sie hat es zwar nicht leicht im Leben und Nicht-Leben, aber an manchen Stellen war sie mir trotzdem zu weinerlich. Gegen Ende benimmt sie sich außerdem recht naiv, geradezu dämlich, als sie in Jennys Körper zu Mister Brown befragt wird. Ich fand es unstimmig. Mal ist Helen total aufgeklärt (zum Beispiel was Sex angeht), dann verfällt sie wieder in das Muster, das zu der Persönlichkeit aus ihrer Zeit passt (es ist 130 Jahre her, dass Helen gestorben ist). Dabei hat sie die Welt doch seit Jahren als Licht beobachtet. Da muss man doch hier und da etwas aufgeschnappt haben.

Auch mit ihrem Liebsten James, der den Körper des Jungen Billy besetzt, konnte ich mich nicht anfreunden. Zuallererst fand ich die Liebesgeschichte unglaubwürdig (die beiden erkennen, dass sie beide Lichter sind und schwupps!, können sie nicht mehr ohneeinander). Das Ganze hat sich viel zu schnell entwickelt. Ja, sie waren lange körperlose Lichter, aber muss man sich deshalb gleich einen Tag später seinen Trieben hingeben?
Des Weiteren kam mir James besitzergreifend und egoistisch vor. Er drängt Helen regelrecht dazu sich auch einen Körper zu suchen, den sie besetzen kann. Er scheint dabei weniger an sie und mehr an die Erfüllung seiner Wünsche zu denken.
James (bzw. Billy) hat zusätzlich noch einen Bruder, der mir tierisch auf die Nerven gegangen ist. Seine Rolle ist wichtig für die Geschichte, aber durch seine konstante Aggressivität und sein Herumfluchen habe ich mir schnell gewünscht, Laure Whitcomb hätte ihn aus dem Buch geschrieben.

Schließlich der Punkt, der mich am meisten gestört hat: das Körperklauen. Sowohl James als auch Helen besetzen die Körper wehrloser Teenager. Billy war so gut wie tot, sein Geist hatte bereits seinen Körper verlassen, deshalb konnte James ihn übernehmen. Helen übernimmt Jennys Körper, da die sich durch ihre erdrückende Familiensituation soweit in sich zurück gezogen hatte, dass auch sie anscheinend ihren Körper verlassen hat.
Mich hat hierbei die fehlende Kritik geärgert. Nie wird in Frage gestellt, dass Helen und James einfach Körper übernehmen, die ihnen nicht gehören. Auch wenn sie „leer“ waren, Billys Körper gehört immer noch Billy und wenn er beschließt sich in den Tod zu koksen, ist das seine Entscheidung und James hat kein Recht einfach seinen Körper und damit Billys Leben zu übernehmen.
Noch schlimmer finde ich, was die beiden anschließend mit den Körpern anstellen.
SpoilerSie schlafen zum Beispiel miteinander, obwohl Jenny noch Jungfrau ist und verhüten nicht. Das grenzt doch schon fast an Vergewaltigung. Davon abgesehen finde ich nicht, dass dieser körperliche Akt zu Helens sonst so altmodischer Art gepasst hat.
Helen bringt aber auch in Jennys Familienleben ordentlich Chaos (nicht, dass da vorher Ordnung geherrscht hätte). Im Endeffekt könnte sich zwar einiges positiv auf Jennys zukünftiges Leben auswirken, aber auch nur, weil Jennys Geist rechtzeitig in ihren Körper zurückkehrt. Hätte Helen sich (bzw. Jenny) umgebracht, hätte sie Cathy (Jennys Mutter) ganz allein zurückgelassen. Man kann doch nicht einfach das Leben eines fremden Menschen komplett umdrehen und dann nicht mal ein schlechtes Gewissen haben.


Dennoch muss ich sagen, dass ich den Handlungsteil, in dem es um Jennys verquere, religiöse Familie geht am interessantesten fand. Ich wollte herausfinden, was Jenny zu dieser vollkommenen Isolation getrieben hatte und wie ihr Familienalltag aussah. Hier hat sich die Autorin auf jeden Fall den ein oder anderen Kopfschüttel-Moment einfallen lassen.

Kurz und knapp
Mit ihrem Schreibstil hat Laura Whitcomb eine melancholische, geisterhafte Atmosphäre erschaffen. Auch ihre Handlungsideen sind interessant. Leider wird nie in Frage gestellt, dass Helen sich einfach eines fremden Körpers bemächtigt und mit diesem (und in dessen Leben) treibt, was sie will. Dafür und für die Instant-Liebe gibt es von mir radikalen Punktabzug.