A review by tinido
Quendel by Caroline Ronnefeldt

adventurous dark emotional funny mysterious sad slow-paced
  • Plot- or character-driven? A mix
  • Strong character development? It's complicated
  • Loveable characters? Yes
  • Diverse cast of characters? It's complicated
  • Flaws of characters a main focus? It's complicated

4.25

Bisher hat mich fast alles, was ich an deutschsprachiger Fantasy versucht habe zu lesen, wenig bis gar nicht angesprochen. Die Sachen, die ich versucht habe zu lesen, waren entweder nicht besonders gut geschrieben oder seltsam phantasielos erzählt. Also im schlechten Sinne Genre. Deswegen hat mich der erste Band der Quendel-Trilogie von Caroline Ronnefeldt sehr überrascht, und das extrem positiv: Ronnefeldt schreibt ausgezeichnet, vor allem was Atmosphären und Naturwahrnehmung angeht. Der Stil des Romans ist sehr literarisch. Man merkt, dass die Autorin nicht nur Tolkien als Vorbild hat, – der ja auch einen hochliterarischen Stil schreibt, was vielen seiner Epigonen leider verschlossen bleibt –, sondern sich auch sehr intensiv mit der deutschen Romantik und ihren Ausläufern sowie den Märchen- und Sagensammlungen der Brüder Grimm auseinandergesetzt hat. Diesen oft langsamen, manchmal offensiv betulichen Stil muss man mögen bzw, sich auf ihn einlassen können, sonst hat man hier keinen Spaß. Ronnefeldts Worldbuilding finde ich sehr geschickt: Man ist den Protagonist*innen nur winzige Schritte voraus, manchmal auch gar nicht, und lernt mit ihnen, was für eine Gefahr sich da über dem bisher behüteten Hügelland zusammenbraut. Was die Märchen und Sagen, die wir uns erzählen, tatsächlich bedeuten, das ist eines der Themen von Quendel. Und dass beschreibt auch den wichtigsten Unterschied zu Tolkiens Hobbit und Der Herr der Ringe, mit denen Quendel oft verglichen wird. Einerseits sind die Einflüsse von Tolkien recht deutlich, – vielleicht auch eine Hommage –, aber im Gegensatz zur Welt der Hobbits ist im Hügelland das Heroische, Übersinnliche, Zauberische und Mythische nicht mal mehr als Erinnerung präsent (nur bei ganz wenigen Figuren, die von ihrem Umwelt denn auch für exzentrisch bis nicht ganz normal gehalten werden), sondern komplett ins Reich der Ammenmärchen verschwunden. Als es dann in die heile Welt einbricht, fällt es sehr vielen davon Betroffenen sehr schwer, überhaupt zu glauben, was sie da gerade erleben. Der Verlust dieses Vertrauens in eine Welt, die einem eigentlich nichts Böses will, ist dann auch ein wichtiges Thema des Buches – und diese Verlusterfahrung und wie sie die, die sie machen müssen, verändert und manche auch zerstört, ist das große Thema des ersten Bandes (und ganz sicher auch der beiden Folge-Bände). Bei Ronnefeldt gibt es keine Heldenfiguren, deren Kräfte denen der Anderswelt gleich wären, auch wenn einige der Quendel doch mehr okkultes Wissen und magisches Können haben als die anderen. Für die Quendel wie für die Leserin ist es deswegen ganz unsicher, wie das jeweils ausgehen wird, – und es ist am Ende des ersten Bandes sehr sehr unklar, ob und wie der Einbruch der Wilden Jagd überhaupt gut ausgehen kann. 
Eine kleine Warnung / Spoiler: Das Verschwinden eines Kindes in der Wolfsnacht ist einer der zentralen Handlungselemente im Buch, und das ist eine sehr herzzerreißende Geschichte. Darauf sollte man ein bissle gefasst sein.