A review by missbookiverse
Sisters Red by Jackson Pearce

4.0

Kurz und knapp
Ein tolles Buch, das sich bekannter Rotkäppchenmotive bedient, aber seine ganz eigene Geschichte erzählt. Wer Action mag, wird in Sisters Red von vorne bis hinten bedient. Auch Romantikfans bekommen einen zuckersüß glasierten Keks serviert.
Neben der Werwolfjagd bietet der Roman eine intensive Geschichte über die Verantwortung gegenüber sich selbst, dem Rest der Welt und allem voran seiner eigenen Schwester.

Lang und breit
Um gleich mal alle falschen Annahmen aus dem Weg zu räumen: Ich würde Sisters Red nicht als Märchenneuerzählung bezeichnen. Das Buch bedient sich zwar vieler Elemente, die aus Rotkäppchen bekannt sind, ist aber keine Neuerfindung der Geschichte. Mit Großmutter, Jägern, bösen Wölfen und roten Umhängen erzählt Sisters Red seine ganz eigene Geschichte und orientiert sich höchstens im Prolog am Verlauf des Märchens.

Apropos Prolog. Der hat es in sich. Zusammen mit dem fantastischen Cover hat er mir eine schaurige Gänsehaut über den Körper gejagt. Wölfe können so verdammt gruselig sein.

Danach geht das Buch ein bisschen zäh weiter. Es ist zwar alles interessant, aber ich hatte das Gefühl, dass hier und da zwei Sätze zu viel waren und die Handlung nicht richtig voranging. Im Nachhinein glaube ich, dass es von Vorteil war sich so viel Zeit zu nehmen. Ansonsten wären mir die Figuren nicht so nahe gekommen. Meine Bindung zu ihnen hatte Zeit sich aufzubauen und zu vertiefen, was auch für die wirklich süße Romanze gilt.

Der Roman lebt größtenteils von seinen Charakteren. Die beiden unzertrennlichen Schwestern Scarlett und Rosie könnten unterschiedlicher nicht sein. Vielleicht gerade, weil sie beide in vielen Situationen so intensive Gegensätze widerspiegeln, fand ich es unheimlich leicht jede von ihnen voll und ganz verstehen zu können. Scarletts Gedankenwelt kommt auf den ersten Blick sehr drastisch daher, da sie ihr Leben dem Jagen verschrieben hat und sich dem unschuldigen Rest der Welt gegenüber verantwortlich fühlt. Mit dem Wissen über ihre Vergangenheit fand ich das komplett nachvollziehbar. Genauso gut konnte ich Rosie verstehen. Für sie bedeutet Jagen einfach nicht das Gleiche. Einerseits sehnt sie sich nach etwas anderem, andererseits hat sie Angst ihre Schwester zu enttäuschen.
Die wechselnden Kapitel und damit auch Erzähler (Scarlett und Rosie) haben mich ständig von einem Extrem ins andere gezerrt. Am Ende hatte ich die Schwestern und Silas so sehr ins Herz geschlossen, dass ich voller Aufregung dem Finale entgegengefiebert habe. Mir wäre sogar Unlogik egal gewesen, solange es nur für alle gut ausgeht.

Während mir Jackson Pearces Schreibstil in Drei Wünschte hast du frei (OT As You Wish) noch ziemlich holprig vorkam, hab ich ihn hier als meisterhaft empfunden. Damit schiebe ich das bei DWHDF jetzt offiziell auf die mittelmäßige deutsche Übersetzung und empfehle jedem die Autorin im Original zu lesen. Sie schreibt qualitativ hochwertig, ohne Kitsch und ausgelutschte Metaphern.

Toll fand ich die ganzen Kleinigkeiten. Zum Beispiel die Namen der Schwestern, die beide einem Rotton entsprechen oder dass ihre Großmutter Deutsche ist und im Englischen liebevoll „Oma March“ genannt wird (außerdem sagt sie sogar ein paar deutsche Sätze) – was doch wohl hoffentlich ein Wink in Richtung Gebrüder Grimm sein soll.

Alle, die es ruhig mögen, könnten von dem Roman einen kleinen Herzanfall zurückbehalten. Es herrscht konstant Action, da Rosie und Scarlett ständig Werwölfe mit Messern und Beilen bekämpfen müssen. Einerseits ganz gut gemacht und abwechslungsreich im Vergleich zu vor sich hin plätschernden Urban Fantasy YA Büchern, andererseits mag ich es lieber ruhig und fand die Jagd- und Kampfszenen nach dem zweiten Mal recht identisch.

Die unerwartete Wendung am Ende hatte ich beinahe von vorneherein im Kopf. Ich hatte gar nicht erwartet, dass das wirklich passieren würde, es mir aber ziemlich cool vorgestellt und gehofft, dass es so kommen würde. Und dann kam es tatsächlich so. Damit war die Überraschung für mich zwar hin, aber glücklich war ich trotzdem.

Die Liebesszenen sind wie schon in Drei Wünsche hast du frei (OT As You Wish) sehr sanft und zaghaft beschrieben, aber mit viel Gefühl und zuckersüß.

Die Unbeantworteten
Was machen die Fenris mit ihren Opfern? Essen sie sie, um zu überleben? Oder töten sie aus Spaß?

Die Kameraden
Jackson Pearces erstes Buch Drei Wünsche hast du frei (OT As You Wish) habe ich bereits gelesen. Im Vergleich zu Sisters Red ist es harmloser und erzählt eine viel leisere Geschichte.

Im Stil von Sisters Red (das heißt als „companion novel“) wird im August 2011 eine weiterer Roman mit Märchenelementen der Autorin erscheinen. Sweetly wird Hänsel und Gretel wieder aufleben lassen und hat ein genauso eindrucksvolles Cover wie sein Vorgänger. Nach Sweetly soll ein weiterer „companion novel“ namens Fathomless folgen.

As You Wish Sweetly (Sisters Red, #2)

Die Optik
Das Sisters Red Cover ist so ziemlich perfekt. Ich finde die Typographie zwar nicht so toll, aber das haut das Motiv alles wieder heraus. Diese Farben und diese Zweideutigkeit und die Schnörkel und ach, es ist einfach ein Traum. Meine Ausgabe glänzt zudem noch ganz toll.

Der Doppelgänger
Hier empfehle ich einen meiner Top-Favoriten: The Book Of Lost Things von John Connolly. Es verbreitet die gleiche schaurige Stimmung wie der Prolog von Sisters Red, handelt in gewisser Weise auch von Geschwistern und hat vor allem seine ganz eigene verquere Neuinterpretation von Rotkäppchen.

The Book of Lost Things