A review by missbookiverse
The Butterfly Clues by Kate Ellison

4.0

Lang und breit
Der Leser wird auf der ersten Seite direkt ins Geschehen geworfen. Es bleibt kaum Zeit sich Protagonistin Lo erst mal anzuschauen oder sich zu fragen, was es mit ihrem Bruder Oren auf sich hat. Schon ist man mittendrin in einer kleinen, dreckigen Gasse von Neverland und entkommt nur knapp einem Schuss.

Nach diesem turbulenten Anfang wurde ich Stück für Stück mit Informationen gefüttert. Es hat gedauert bis ich in Erfahrung bringen konnte unter welchen Umständen Oren damals gestorben ist. Hier konnte ich mal einen Blick auf Los todtraurige Mutter werfen, dort mal auf Los Status an ihrer Schule und so hat sich das Gesamtbild nach und nach zusammengesetzt.

Mit Lo konnte ich mich sehr schnell anfreunden. Sie ist ein seltsames Mädchen, äußerst liebenswert und loyal, durch ihre Zwangsneurosen wirkt sie aber nach außen etwas verrückt. Ihre Macken hat die Autorin mit viel Feingefühl beschrieben. Ich kenne niemanden persönlich, der unter schweren Neurosen leidet, aber die Art wie Lo Dinge zählt und anordnet (alles muss in Dreiergruppen sein, noch besser sechs oder neun, niemals vier, vier ist schlecht), kam mir äußerst authentisch vor. Bevor sie einen Raum betritt oder verlässt, muss sie drei Mal abklopfen und „banana“ sagen. Ihr ständig wiederkehrendes „tap tap tap banana“ hat mich nie genervt, eher zum Lächeln gebracht, weil es so typisch Lo war. Ich konnte mit ihr mitfühlen, wenn sie sich für ihre Macken geschämt hat. Lo kann sich fast nie im Unterricht melden, weil sie dann jede Antwort drei Mal sagen müsste. Manchmal passiert ihr das auch bei Gesprächen und sie versucht die zwei Wiederholungen anschließend so leise wie möglich zu flüstern, damit niemand ihr unnatürliches Verhalten mitbekommt.

In diesem Zusammenhang fand ich die Reaktionen von Los Eltern sehr interessant und geradezu herzzerreißend. Die Mutter kann ganz gut mit den Neurosen ihrer Tochter umgehen. Sie gibt ihr Tipps, um Aufmerksamkeit zu vermeiden und ordnet das Essen auf ihrem Teller in Dreiergruppen an, weil sie weiß, dass Lo das beruhigt. Ihr Vater ist da leider ganz anders. Ihn macht das Verhalten seiner Tochter wahnsinnig. Er schafft es einfach nicht, sie zu verstehen. Er will nicht sehen, dass sie nichts für ihr Verhalten kann und denkt sie wolle ihn damit absichtlich ärgern, wenn sie sich selbst nicht stoppen kann.
SpoilerAm tiefsten hat mich die Szene getroffen, in der Los Vater in ihr Zimmer stürzt, ihren ganzen „Plunder“ entdeckt und alles zerstört und in Müllsäcke stopft. Als Leser wurde mir Los Hortungszwang erst da richtig bewusst. Davor habe ich immer nur ein paar Sammelobjekte vor Augen gehabt.


Kate Ellison erweckt mit ihren Worten nicht nur Lo zum Leben, sie erschafft auch eine Atmosphäre, die perfekt zur Geschichte passt. Die kühle, einsame Stimmung, die das Mädchen umgibt, wird mühelos über die Seiten transportiert. Die Sätze sind relativ kurz und manchmal stakkatoartig, sicher nicht jedermanns Geschmack, aber mir hat es gefallen.

Zugegeben, ich fand Los Charakter und ihre persönliche Entwicklung weit spannender als die kleine Kriminalgeschichte, in die sie sich verstrickt. Am Anfang dachte ich, ich hätte alles durchschaut, aber obwohl hier wahrlich nicht das komplizierteste Mordkomplott aufgetischt wird, wurde ich doch noch überrascht. Leider fällt Lo auf ihrer Spurensuche ziemlich viel in den Schoß und der Zufall ist ihr stets hold. Sie ist immer zur rechten Zeit am rechten Ort, hat den richtigen Riecher und große Ohren, wenn sich jemand verplappert. Ich konnte das verschmerzen, aber eingeschweißte Krimifans würden sicher nur darüber lachen.

Den Schluss fand ich sehr gelungen. Die Autorin hält hier nämlich perfekt die Waage. Vieles verläuft glimpflich, Los Zukunft sieht nicht rabenschwarz aus, aber es werden auch Momente eingestreut, die klar machen, dass vor der Familie noch ein steiniger Weg liegt, den vielleicht nicht alle gemeinsam bis zum Ende gehen werden.

Kurz und knapp
Kate Ellison hat mit The Butterfly Clues ein bewundernswertes Debüt vorgelegt. Ihr Kriminalfall wirkt zwar arg konstruiert, aber dafür schildert sie meisterhaft die Situation einer Familie, die an ihrer Trauer zu zerbrechen scheint und die Gefühle eines Mädchens, das unter Zwangsneurosen leidet.