A review by missbookiverse
Forgotten by Cat Patrick

4.0

Inhalt
Die 16jährige London hat ein Problem mit ihrem Gedächtnis. Jede Nach gegen 5 Uhr vergisst sie nämlich ihre Vergangenheit und kann sich nur noch an ihre Zukunft erinnern. Da sie dieser Zustand schon beinahe ihr ganzes Leben lang begleitet, kommt sie gut damit zurecht. Allerdings ändert sich das alles als sie Luke kennen lernt. Obwohl sie ihn sofort ins Herz schließt, kann sie sich nicht an ihn erinnern. Er kommt nicht in ihrer Zukunft vor. Dafür erinnert sie sich plötzlich an eine geheimnisvolle Beerdigung. Außerdem möchte sie endlich mehr über ihren Vater herausfinden. Eine spannende Jagd nach der eigenen Vergangenheit, Familie und Zukunft beginnt.

Lang und breit
Gleich mal vorneweg Applaus: Forgotten ist ein stand-alone! Genau – gefahrloses Lesen ohne Cliffhanger. Die ganze Geschichte passiert in einem dünnen Buch und die Autorin hat eine Fortsetzung komplett ausgeschlossen (siehe FAQ auf ihrem Blog).

Forgotten bietet ein wahnsinnig interessantes Grundkonzept. Protagonistin London kann sich an jede Menge aus ihrer Zukunft erinnern (nicht genau an alles, eher so wie wir uns an unsere Vergangenheit erinnern), dafür vergisst sie jede Nacht, was in den letzten Jahren geschehen ist. Um nicht völlig hilflos dazustehen, schreibt sie sich selbst Notizen, die sie auf den kommenden Tag vorbereiten (Londons Erinnerung beginnt nämlich immer erst „morgen“).

„I remember forwards, and forget backwards.“


Allein das Wort „erinnern” in Verbindung mit der Zukunft zu nutzen, fand ich grandios. Ich hege eine große Vorliebe für so genannte Mindfuck Filme, also Filme, die einen durch unlineare Handlungsstränge, Zeitreisen oder ähnliches ordentlich die Gehirngänge durchpusten. Vom Konzept her fällt Forgotten da definitiv rein, schon auf der Buchrückseite wird mit einer Storymischung aus Memento und Die Frau des Zeitreisenden geworben.
So toll ich die Idee für Forgotten auch fand, sie wird leider nicht raffiniert genug ausgeführt. Dafür ist das Buch einfach zu dünn und Londons Fähigkeit wird viel zu oberflächlich erforscht. Wann schreibt sich London zum Beispiel ihre Notizen, die sie am Morgen des jeweiligen Tages liest? Wie sieht es mit ihrer Bildung aus? Sie kann sich ja nur an das aus ihrer Zukunft erinnern (und am Abend auch an den zurückliegenden Tag). Was aber, wenn sie etwas Neues lernt und es dann des Nachts vergisst, dann kann sie sich ja in der Zukunft nicht mehr daran erinnern können. Versteht ihr? So ein Konzept ist voll von Paradoxen und das ist das Schöne an solchen Mindfuck-Themen, aber ein bisschen mehr Aufklärung und Auseinandersetzung wäre wünschenswert gewesen.

Nichtsdestotrotz hat der Roman noch etwas mehr auf Lager. Tragik zum Beispiel. Denn London kann sich nicht an Luke aus der Zukunft erinnern und so lernt sie ihn jeden Tag wieder kennen. Ihren ersten Kuss und ihr erstes Date hat sie vergessen, nur ihre Notizen können ihr sagen und beschreiben, dass solche Momente stattgefunden haben.

Von dieser ganzen Gedächtnisebene abgesehen, erzählt Forgotten eine ganz normale Teenager-Geschichte. London macht die ersten Erfahrungen mit einem Jungen (und die beiden sind wirklich süß zusammen, auch wenn ich Lukes Ohrenvorliebe suspekt finde), streitet mit ihrer Freundin (was findet London übrigens an der?) und versucht mehr über ihren Vater herauszufinden. In all dem Wirrwarr will ich Londons Mutter nicht vergessen, die eine zentrale Rolle im Leben ihrer Tochter spielt. Ich fand die Beziehung zwischen den beiden erfrischend und realistisch. Sie stehen sich sehr nahe, aber London möchte mit ihrer Mutter auch nicht über alles reden und es kommt zu dem ein oder anderen Streit.

Gegen Ende nimmt das Buch eine scharfe Linkskurve. Ich fand das abwechslungsreich, andere Leser könnten sich aber aus der Bahn geworfen fühlen. Schade ist, dass (korrigiert mich, wenn ich falsch liege) nie aufgelöst wird, warum Luke nicht in Londons Erinnerungen von der Zukunft auftaucht.

Kurz und knapp
Ein Buch, das ganz ohne Fortsetzung funktioniert und ein turbulentes Konzept bietet, um das sich die Gedanken erst mal wickeln müssen. Leider wurde davon weniger erforscht als mir lieb war, aber dafür gibt es herzerwärmende zwischenmenschliche Beziehungen und einen flotten Schreibstil.