A review by piabo
Kein Pausenbrot, keine Kindheit, keine Chance: Wie sich Armut in Deutschland anfühlt und was sich ändern muss by Jeremias Thiel

5.0

Ich vermute, dieses Buch wird für viele sehr ungemütlich zu lesen sein. Vor allem für Menschen, die weniger Kontakt mit Arbeitslosengeld, Armut, Chancenungleichheit und allem, was dazu gehört, haben.

Obwohl ich durch meine Pflegegeschwister von vielen ähnlichen Fällen wie denen von Jeremias gehört (und auch aus zweiter Hand miterlebt) habe, war es mir trotzdem teilweise unangenehm, dass über einige Themen so einfach offen gesprochen wurde.
Das hängt vor allem mit der Stigmatisierung von Menschen und deren Kindern, die unter der relativen Armutsgrenze in Deutschland leben. Ich und viele anderen sollten uns mehr mit dem Thema auseinandersetzen. Über Geldprobleme und alltägliche Herausforderungen, die daraus folgen, sollten wir ohne Scham sprechen könnten.

Ich finde, Jeremias hat ein tolles Buch geschrieben. Er beschreibt seine eigene Kindheit, aber auch wie er aus dem Teufelskreis irgendwie ausbrechen konnte. Mir gefällt, wie er betont, dass sein "Erfolg" nur mit viel Glück möglich ist, und dass das System gar nicht die Möglichkeiten hat, es allen zu ermöglichen. Harte Arbeit alleine reicht nicht aus, um Armut zu entkommen.

Jeremias stellt auch Studien und mögliche Gesetzesänderungen (zu dem Maße, wie er es als betroffener junger Mensch einschätzen kann) vor.

Ich habe Jeremias vor etwas über vier Jahren kennenlernen dürfen und wusste daher schon einige der Lebensdetails und verstehe, warum er bestimme Wege gegangen ist. Im Buch hatte ich das Gefühl, dass es teilweise nicht ganz klar war.
Ich empfehle auf jeden Fall ein bisschen Extra Recherche zu diesem jungen Menschen zu machen. Zum Beispiel die Dokus, die es über ihn gibt. Ohne ist dieses Buch eher eine 4. Aber ich möchte die Personen, aus meinem Umkreis unterstützen. Er hat außerdem mein Buch singert :)