A review by samirasbt
Draußen vor der Tür by Wolfgang Borchert

4.0

“Wer schreibt für uns eine neue Harmonielehre? Wir brauchen keine wohltemperierten Klaviere mehr. Wir selbst sind zu viel Dissonanz. […] Wir brauchen keine Stillleben mehr. Unser Leben ist laut.”

Diese Ausgabe enthält Borcherts Drama “Draußen vor der Tür” und einige seiner kurzen Erzählungen, zugehörig zur Trümmerliteratur.
Das Drama erzählt die Geschichte des vom Krieg gezeichneten Soldaten Beckmann, der zurückkehrt in ein Zuhause, das keines mehr ist. Ihm bleibt keine Familie, keine Frau und keinerlei Anhaltspunkt mehr, an dem er festhalten könnte. Mehrmals glaubt er, Letzterem nahe zu sein, nur um letztlich doch wieder draußen vor der Tür zu verbleiben. Im gesamten Stück kämpft er mit traumatischen Erinnerungen an den Krieg und lähmenden Schuldgefühlen, unfähig, sich von der Verantwortung für das Geschehene loszusagen.
Er wird stets begleitet vom Anderen, einer Figur, die wohl bewusst nicht genauer definiert wird. Mir gefällt die Interpretation am besten, wonach er für die Hoffnung Beckmanns steht, die ihn doch nicht ganz verlassen will, egal wie verloren alles scheint, und ihn immer wieder davon abbringt, doch den Weg zur Elbe zu gehen (steht hier für Selbstmord). Am Ende verschwindet der Andere und lässt Beckmann mit einer Reihe von existenziellen Fragen zurück, es bleibt aber offen, was das für ihn bedeutet und wie es mit ihm weitergeht.
Borchert beschreibt das Innenleben des orientierungslosen, zutiefst verzweifelten Protagonisten auf eine Weise, die mich wirklich sehr berührt hat. Auch sein Schreibstil spiegelt diesen inneren Konflikt erschreckend authentisch wieder.
Die Kurzgeschichten und Prosastücke im 2. Teil der Ausgabe handeln von denselben tragischen Themen: Krieg und Nachkriegszeit, Hunger, Einsamkeit, Verlust. Meine Favoriten waren “Lesebuchgeschichten”, “Die Hundeblume” und “Generation ohne Abschied”.
Ich muss allerdings sagen, dass ich ziemlich lange gebraucht habe, das Buch zu beenden, weil das ganze Kriegsthema nach einer Zeit sehr wiederholend wurde und man dafür definitiv in der Stimmung sein muss.