A review by carosbcher
Das Mädchen mit dem Fingerhut by Michael Köhlmeier

2.0

Hänsel und Gretel meets Flüchtlingsfrage

Michael Köhlmeier kannte ich bisher nur durch seine Märchenwelt, die mir sehr gut gefällt. Auch in diesem Werk merkt man seine Begeisterung für Märchen, allerdings konnte mich die Geschichte nicht überzeugen.

Ein kleines Mädchen strandet in einer westeuropäischen/deutschsprachigen Stadt. Sie ist allein, wurde nur von einem Schlepper in die Stadt gebracht, hat aber keine Verwandten bei sich. Und sie spricht die Sprache nicht. Sie ist im Weg und die Männer, mit denen sie in einer Unterkunft wohnt, können nichts mit ihr anfangen. Daher wird sie morgens von einem "Onkel" auf den Markt gebracht und abends wieder abgeholt. Tagsüber soll sie selbst schauen, wo sie etwas zu essen erhält. Das geht einige Tage gut, doch irgendwann taucht der "Onkel" abends nicht mehr auf und das kleine Mädchen verläuft sich auf ihrer Suche nach der Unterkunft. Sie wird irgendwann von der Polizei in ein Heim gebracht, in dem sie endlich jemanden trifft, der ihre Sprache beherrscht. Zwei ältere Jungen brechen mit ihr aus und eine Odyssee auf der Suche nach einem Haus, Nahrung und Wärme beginnt...

Gut gefallen hat mir die Hänsel und Gretel-Thematik (Junge und Mädchen allein im Wald, eine Hexe, Brot) ebenso wie Köhlmeiers Betrachtung der Gesellschaft: Wann und wie greifen Menschen ein, wenn sie eine Notsituation wahrnehmen? Wie oft wird tatsächlich eine Not bei einem anderen Menschen auch als solche erkannt?

Grundsätzlich bleibt die Geschichte jedoch nicht sehr aussagekräftig und wirkt mitunter pathetisch und gezwungen, unglaubwürdig und als wäre sie nur geschrieben, um auch etwas zum Thema Flüchtlinge zu sagen.