A review by juli_mod
A Ghost In The Throat by Doireann Ní Ghríofa

4.0

Eine Frau ringt um Kontrolle. Eine Frau ergibt sich der Hingabe. Eine Frau sucht nach einer Verbündeten. Eine Frau schreibt Listen. Dokumentiert ihr Leben, ihren Alltag, ihren Haushalt. Und: eine Frau liest dieses Buch und versucht die listenschreibende, die muttermilchträufelnde, die sich vermeintlich opfernde Frau nicht zu verurteilen.
In dieser Autofiktion möchte eine Frau verschwinden, im Geben verschwinden und ein Geist in einer Kehle werden. Der Kehle einer anderen Frau, die seit Jahrhunderten tot ist und ein irisches Epos über Liebe und Mut und Begehren und Trauer schrieb.
Und dann passiert noch so viel mehr: eine schwierige Geburt, ein schwieriges Anatomiestudium, ein schwieriger Autounfall, eine schwierige historische Suche und alles ist hervorragend geschrieben. Rauschhaft geschrieben.
Ein Buch, an dem man sich wunderbar reiben kann, mit dem man sich anlegen kann, dass man aber auch lieben kann, in dem man sich aufgehoben fühlen kann. Ich habe es sehr gemocht.

„Vielleicht sind die kaleidoskopischen Versionen unserer selbst, die unsere Tage und Nächte bewohnen, zu tatsächlich allem fähig.“

„Mein Magen knurrt, als ich stattdessen schwarzen Kaffee trinke, und ich spüre, wie mir mit jedem heißen Schluck Flügel wachsen, üppig und dunkel.“

„Meine Tochter lächelt. […] ich hebe sie hoch und schleppe sie, zusammen mit meiner Tasche, meinem Handy, meinem Notizbuch, meinem Stift und meiner Kamera, seitwärts über den Zauntritt. Das ist das Leben, das ich mir geschaffen haben, immer auf der Suche mache etwas, das sich meinem Zugriff entzieht, während ich mit vollem Armen absurd komplexe Ladungen schleppe.“

„Bei meiner Lektüre bin ich auf das Argument gestoßen, dass das ‚Caoineadh‘ aufgrund der Fehlbarkeit des menschlichen Gedächtnisses und seiner unvollkommenen Träger nicht als das Werk einer einzelnen Autorin angesehen werden kann. Vielmehr müsse es, so diese Theorie, als Collage oder vielleicht als volkstümliche Neubearbeitung älterer Totenklagen betrachtet werden. Für mich klingt das - mit der schamlosen Unverfrorenheit von jemandem fern der hohen Räume der Universität- nach einer männlichen Behauptung, die einem weiblichen Text aufgezwungen wird. Schließlich geht die Etymologie des Wortes ‚Text‘ auf das lateinische Verb ‚textere‘ zurück: weben, Zusammenfügen, flechten. Das ‚Caoineadh‘ gehört zu einer literarischen Gattung, die von Frauen geprägt und geworben wurde und in der sich Stränge weiblicher Stimmen verflechten, die weiblichen Körpern entstammten - ein Phänomen, das mir eher Anlass zum Staunen und zur Bewunderung gibt als zu Zweifeln an der Autorschaft.“