A review by pascalthehoff
Die Brüder Karamasow by Fyodor Dostoevsky

4.0

Ein Buch für die Bucketlist. Endlich abgehakt! Trotz seiner immensen Länge folgt die Brüder Karamasow (fast) immer seinem übersichtlich aufgedröselten roten Faden – etwas, das man von backsteindicken Romanen dieser Epoche nicht immer behaupten kann.

Am stärksten ist Die Brüder Karamasow, wenn die Charaktere sich in seiten- oder gar kapitellangen Wortgefechten verlieren, die zuweilen philosophischen Essays in wörtlicher Rede gleichen. Der Höhepunkt dieser intensiven Diskurse ist der Gerichtsprozess im letzten Viertel, in dem sich die Beteiligten stundenlang derartig voller Inbrunst in ihre Ausführungen hineinsteigern, dass Anwälte, die beim Verlassen des Saales vor Erschöpfung beinahe in Ohnmacht fallen, schlicht glaubwürdig erscheinen. Selten habe ich über so viele dutzende Seiten solch eine literarische Dichte gesehen, die gleichzeitig dramaturgisch mitreißt.

Klingt anstrengend? Ist es aber nicht. Insbesondere, weil Dostojewski versteht, zum Punkt zu kommen... zumindest, wenn es drauf ankommt. Der Erzähler gibt gerne ganz offen zu, da gäbe es ja eigentlich noch viel mehr zu erzählen, aber wir sollten uns doch lieber dem Kern der Sache widmen.

Dass Die Brüder Karamasow dennoch so üppig ausfällt, liegt daran, dass es die Details im Alltag seiner Charaktere für so wichtig erklärt. Indem sich der Roman nicht nur auf den zentralen Mordfall konzentriert, erreichen alle wichtigen Charaktere eine beeindruckende Tiefe. (Bis auf die Frauen, deren Gefühlswelt zwar ebenfalls zur Genüge ausgewalzt wird, sich aber zu oft gängiger zeitgenössischer Klischees bedient.) Dieser hart erarbeitete Facettenreichtum aller Charaktere nährt direkt die Kernfragen und Konflikte, die der Roman eröffnet.

Der finale Gerichtsprozesses kämpft maßgeblich mit dem Umstand, dass selbst eine einzelne Menschenseele viel zu Komplex ist, um sich anhand reiner Mutmaßungen kategorisieren zu lassen. Ob es dazu all die Szenen im Kloster zu Beginn gebraucht hätte...? In der Praxis schwer zu sagen. Viele der frühen Details blieben mir am Ende des Buches bestenfalls unterbewusst im Gedächtnis, weil sie an dieser Stelle bestenfalls indirekt relevant sind.

Je mehr sich Die Brüder Karamasow im Klein-Klein des Dorflebens verliert, desto stärker beeinflusst die vorübergehende Ziellosigkeit die Leselust in Anbetracht all der Stunden, die noch folgen. Doch selbst kleinste Szenen und Dialoge sind so kreativ und menschlich geschrieben, dass sie über den Moment tragen. Dostojewskis beseelter Schreibstil ist die Erde für den gewölbten Unterbau, auf dem das große Finale thront.