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nettebuecherkiste 's review for:
HHhH
by Laurent Binet
3.5 stars
Prag, im Mai 1942. Zu Beginn des Jahres leitete Reinhard Heydrich die Wannseekonferenz, auf der die „Endlösung“ der Judenfrage, das heißt die Vernichtung des jüdischen Volkes in Europa, beschlossen wurde. Im Jahr zuvor war er zum stellvertretenden Reichsprotektor in Böhmen und Mähren ernannt worden und hielt sich daher nun in Prag auf. Die tschechische Exilregierung in London hat einen Attentatsversuch auf Heydrich organisiert, der von dem Slowaken Jozef Gabčík und dem Tschechen Jan Kubiš durchgeführt werden soll. Am 27. Mai ist es soweit.
Die Bewertung und das Rezensieren des preisgekrönten Buches von Laurent Binet fällt mir alles andere als leicht. Zunächst muss ich feststellen, dass es sich nicht um einen klassischen Roman handelt, schon gar nicht entspricht er dem, was Leser sich üblicherweise unter einem historischen Roman vorstellen. Denn Binet erzählt hier nicht durchgängig die Geschichte des Attentates auf Heydrich, er bringt seine eigene Recherche, seine Überlegungen und seinen Schreibprozess mit in das Buch ein. Dabei bedient er sich einer lockeren, leicht lesbaren Erzählweise, durchsetzt mit Humor und Selbstkritik. Immer wieder geht er darauf ein, inwiefern eine Fiktionalisierung des Geschehens zulässig und zuverlässig sein kann. Oft rudert er zurück, korrigiert sich, bemerkt, dass es für eine Aussage keinen Beleg gibt. Seine originelle Schreibweise begeisterte mich zunächst regelrecht, im Verlauf der 448 Seiten des Buches verbraucht sich die innovative Herangehensweise jedoch etwas, ich fand mich zunehmend genervt von den Relativierungen und Korrekturen. Erkennbar und bemerkenswert ist aber, wie tief Binet offenbar in sein Thema eingetaucht ist.
Ein anderes Problem ergibt sich immer, wenn Weltkriegsliteratur mit Humor in Verbindung gebracht wird, wobei es sich in diesem Buch eher um einen flapsigen Schreibstil handelt. Da gilt die alte Frage: „Darf man das“? Ich persönlich komme damit klar, sofern es innerhalb gewisser Grenzen bleibt. Ich mochte schließlich auch Roberto Benignis Film „Das Leben ist schön“ und Timur Vernes‘ „Er ist wieder da“. Ein wenig heikel wirkt unter Umständen auch die Begeisterung für das Thema, schließlich geht es um jemanden, der entsetzliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt hat. Ich kann diese jedoch nachvollziehen, das Grauen fasziniert die Menschen, sonst würde niemand Krimis oder Thriller lesen.
Mir ist aber bewusst, dass die genannten Probleme nicht für jeden in Ordnung sind, auch in unserer Lesegruppe wurden sie von vielen kritisiert.
Hätte ich lieber einen „regulären“ historischen Roman gelesen? Schwer zu sagen. Binets Buch ist eine Mischung aus Sachbuch und Fiktion, vielleicht hätte ich lieber einen historischen Roman und danach oder davor ein entsprechendes Sachbuch gelesen, hätte dadurch ein differenzierteres Bild erhalten.
Binets Ansatz ist jedenfalls durchaus interessant und originell, insgesamt sehe ich das Buch eher positiv. Als Sternebewertung vergebe ich 3,5 von 5 Sternen.
Prag, im Mai 1942. Zu Beginn des Jahres leitete Reinhard Heydrich die Wannseekonferenz, auf der die „Endlösung“ der Judenfrage, das heißt die Vernichtung des jüdischen Volkes in Europa, beschlossen wurde. Im Jahr zuvor war er zum stellvertretenden Reichsprotektor in Böhmen und Mähren ernannt worden und hielt sich daher nun in Prag auf. Die tschechische Exilregierung in London hat einen Attentatsversuch auf Heydrich organisiert, der von dem Slowaken Jozef Gabčík und dem Tschechen Jan Kubiš durchgeführt werden soll. Am 27. Mai ist es soweit.
Die Bewertung und das Rezensieren des preisgekrönten Buches von Laurent Binet fällt mir alles andere als leicht. Zunächst muss ich feststellen, dass es sich nicht um einen klassischen Roman handelt, schon gar nicht entspricht er dem, was Leser sich üblicherweise unter einem historischen Roman vorstellen. Denn Binet erzählt hier nicht durchgängig die Geschichte des Attentates auf Heydrich, er bringt seine eigene Recherche, seine Überlegungen und seinen Schreibprozess mit in das Buch ein. Dabei bedient er sich einer lockeren, leicht lesbaren Erzählweise, durchsetzt mit Humor und Selbstkritik. Immer wieder geht er darauf ein, inwiefern eine Fiktionalisierung des Geschehens zulässig und zuverlässig sein kann. Oft rudert er zurück, korrigiert sich, bemerkt, dass es für eine Aussage keinen Beleg gibt. Seine originelle Schreibweise begeisterte mich zunächst regelrecht, im Verlauf der 448 Seiten des Buches verbraucht sich die innovative Herangehensweise jedoch etwas, ich fand mich zunehmend genervt von den Relativierungen und Korrekturen. Erkennbar und bemerkenswert ist aber, wie tief Binet offenbar in sein Thema eingetaucht ist.
Ein anderes Problem ergibt sich immer, wenn Weltkriegsliteratur mit Humor in Verbindung gebracht wird, wobei es sich in diesem Buch eher um einen flapsigen Schreibstil handelt. Da gilt die alte Frage: „Darf man das“? Ich persönlich komme damit klar, sofern es innerhalb gewisser Grenzen bleibt. Ich mochte schließlich auch Roberto Benignis Film „Das Leben ist schön“ und Timur Vernes‘ „Er ist wieder da“. Ein wenig heikel wirkt unter Umständen auch die Begeisterung für das Thema, schließlich geht es um jemanden, der entsetzliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt hat. Ich kann diese jedoch nachvollziehen, das Grauen fasziniert die Menschen, sonst würde niemand Krimis oder Thriller lesen.
Mir ist aber bewusst, dass die genannten Probleme nicht für jeden in Ordnung sind, auch in unserer Lesegruppe wurden sie von vielen kritisiert.
Hätte ich lieber einen „regulären“ historischen Roman gelesen? Schwer zu sagen. Binets Buch ist eine Mischung aus Sachbuch und Fiktion, vielleicht hätte ich lieber einen historischen Roman und danach oder davor ein entsprechendes Sachbuch gelesen, hätte dadurch ein differenzierteres Bild erhalten.
Binets Ansatz ist jedenfalls durchaus interessant und originell, insgesamt sehe ich das Buch eher positiv. Als Sternebewertung vergebe ich 3,5 von 5 Sternen.