A review by pascalthehoff
Monde vor der Landung by Clemens J. Setz

mysterious slow-paced
  • Plot- or character-driven? Character
  • Strong character development? No
  • Loveable characters? No
  • Diverse cast of characters? No
  • Flaws of characters a main focus? Yes

4.0

Monde vor der Landung erinnert an Patrick Süskinds Parfüm. Sprachlich hat es einen ähnlichen historischen Flair – nicht nur in der Wortwahl, sondern auch in seiner Präzision und Bildlichkeit. Eine weitere Ähnlichkeit ist der Blicks in den Kopf eines Abweichlers. In diesem Fall ein Verschwörungsideologe oder Pseudowissenschaftler, statt einem Mörder. Eine deutlich interessantere, unmittelbar relevantere Perspektive, gerade in der heutigen Zeit. 
 
Obwohl Monde vor der Landung seinen Protagonisten durchweg als Sympathieträger zeichnet, steht der Roman aber nicht vorrangig für Empathie und Verständnis gegenüber solch von der gesellschaftlichen Norm abweichenden Menschen. Oder gar dafür, den Wert uneingeschränkter freier Meinungsäußerung oder der Heldenhaftigkeit freidenkender Heldenfiguren aufzuzeigen. 
 
Die Geschichte zeigt eindrucksvoll, wie ein solch ideologisch verrannter Geist entsteht und wie sein Streben ihn färbt. Der Roman betrachtet alles Erzählte konsequent durch die Linse des alternativen Weltbilds. Permanent streut der Text beiläufige verquere Feststellungen über die Umwelt des Protagonisten ein, die seine Theorie der Hohlerde unterstützen. Er kann kaum eine Pflanze anschauen, ohne daran zu denken, auf welch faszinierende Weise sie im Verhältnis zum großen Ganzen steht. 
 
Denn da im Kopf des Protagonisten alles um einen ideologischen Hammer kreist, scheint seine ganze Welt voller Nägel. Und jedes Gegenargument ist nur eine Herausforderung, es zu entkräften – was mit entsprechender pseudowissenschaftlicher Ansichtsweise stets möglich ist. 
 
Monde vor der Landung zeigt aber auch, wie solche Versessenheit die Menschen um den Protagonisten, allen voran seine Frau, in Mitleidenschaft zieht. Die Gräuel des Nationalsozialismus nimmt der Protagonist punktuell wahr. Schnell werden sie aber wieder von den wirren pseudowissenschaftlichen Ideen verdrängt – und das, obwohl seine jüdische Ehefrau unmittelbar von den Repressailien betroffen ist (und nebenbei für das Gros des Lebensunterhalts der Familie sorgt). Die Verschwörungsideologie regiert das gesamte Leben des Protagonisten und indirekt auch das der Familie. 
 
Ultimativ ist dieses lebenslange Streben dennoch sinnlos, da wir wissen: Jede Pseudowissenschaft wird am Ende entkräftet, wenn sie denn überhaupt größeren Anklang findet. 
 
Betrachtet man Monde vor der Landung auf der Empathie-Ebene, ist der Roman also eher eine Geschichte des Mitleids als des Mitverständnis.