You need to sign in or sign up before continuing.

cocreeed's profile picture

cocreeed 's review for:

Broken April by Ismail Kadare
4.0

Sowohl eine wirklich eindrucksvolle Beschreibung der Blutfehde-Kultur, die noch bis ca. 1990 wie hier beschrieben in den albanischen Alpen (accursed Mountains) praktiziert wurde. Auf der anderen Seite aber ein allgemeiner Kommentar auf die Gewalt und Macht von Traditionen, seien sie noch so absurd und brutal und meiner Meinung nach vor allem ein Kommentar darauf wie diese für den Profit von wenigen Mächtigen instrumentalisiert werden.
Das Buch verwendet dabei zwei Erzählebenen, die sich gelegentlich kreuzen, sowie einen Exkurs in die gedankliche Welt des Blut-Steuereintreibers durch den die Ebene der Ausbeutung deutlich wird. Die erste Ebene handelt von einem jungen Mann, der in eine Blutfehde verwickelt ist. so lernen wir nicht nur die Regeln der Kultur, sondern auch sein persönliches Hadern mit und Ergeben vor eben diesen. Außerdem bekommen wir einen Einblick was es mit ihm auf existenzielle Ebene macht, ständig mit dem Tod konfrontiert zu sein. Die zweite Ebene handelt von einem frisch verheiraten Pärchen in den Flitterwochen, die sich - wie Touristen - diese Kultur angucken. So erhalten wir einen Blick von außen auf die Kultur. Der Mann sprudelt nur vor Begeisterung aufgrund dieser Kultur organisiert durch die so genannte Kannun. Die Frau, mit der ich mich als Leser aus offensichtlichen Gründen deutlich besser identifizieren konnte, ist hingegen v.a. Entsetzt. Ich hatte das Gefühl, hier werden quasi beide Aspekte in uns als Leserschaft vorgeführt. Sowohl das Entsetzen über die Brutalität dieser Kultur aus einer unfassbar Privilegierten Position heraus als auch die Faszination, mit der man diese radikal andersartig Welt begutachtet. Alles in dieser Welt wirkt unfassbar bedeutungsvoll und mystisch. Man kann sich fast nicht vorstellen, dass es diese Welt bis vor knapp 35 Jahren in der Form gegeben hat. Über allem scheint ein Nebelschleier zu liegen und nur manchmal blitzt ein kleines Detail hervor, durch das man an die moderne Zeit erinnert wird, in der diese Geschichte spielt. Auch wenn die Exposition manchmal etwas überhand nimmt (so logisch sie auch in die Geschichte eingewoben ist), gibt es wirklich sprachliche schöne Passagen in diesem Roman:
“And inside that carriage, butterfly coffin, were the eyes of the woman with the auburn hair, that he had breathed in with a sweetness and an emotion that he had never felt in the presence of any other being in the world. he had looked into woman’s eyes in his life, and many of those eyes, ardent, bashful, stirring, delicate, artful, or proud, had looked into his, but never like those. They were at once distant and close, understandable and enigmatic, unmoved and sympathetic. That glance, while it arouse desire, had some quality that took hold of you, carried you far away, beyond life, beyond the grave, to where you would look up upon yourself with serenity. in the night that was the only thing that his sleep did not blot out. it remained there, at the very center, a lost jewel in whose making all the light of the world had been consumed.”