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A review by the_readingfox
Das Lied der Nacht by C.E. Bernard
Did not finish book. Stopped at 73%.
Fantasy mit einer düsteren Atmosphäre und Ästhetik ist seit Das Lied der Krähen zu einem meiner liebsten Subgenre geworden. Auch der Klappentext von Das Lied der Nacht versprach ein solches düsteres Abenteuer. Ich würde gerne sagen, ich hätte zu hohe Ewartungen gehabt, aber ehrlicherweise bin ich recht unvoreingenommen in diesen ersten Band gestartet. Statt einer geschmackvollen finsteren Fantasy-Welt, wie man sie z. B. auch in The Merciless Crow oder Children of Blood and Bone findet, erwartet einen hier vor allem Splatter. Dazu später mehr.
Mit dem Prolog begann das Buch eigentlich sehr vielversprechend. Eine unbekannte Geschichtenerzähler*in versammelt eine Gruppe Menschen, zu der wir uns als Leser*in zugehörig fühlen können, um ein Lagerfeuer. Ein klassisches Bild, aber in einem poetischen Stil stimmungsvoll erzählt.
Wenn ihr euch zu mir setzt, singe ich ein Lied für euch, und ich erzähle euch eine Geschichte. Sie beginnt in einem finsteren Tal mit hohen, schneebedeckten Bäumen. Auf einer uralten Straße, einst breit und stolz, nun stumm und grau. Sie beginnt mit einem einsamen Wanderer in den fahlen Stunden des Zwielichts, im bläulichen Dunkel der Dämmerung. Sie beginnt mit einer Frage. Fürchtet ihr euch? (Prolog)
Grundsätzlich mag ich solche poetischen, detaillierten Schreibstile, aber innerhalb des ersten Kapitels begann ich schon das Interesse am Buch zu verlieren, weil Bernards Stil es einem echt nicht einfach macht. Die Wiederholungen hätten ein bisschen sparsamer eingesetzt werden können, aber in den meisten Fällen gelingt es Bernard mit diesem Kniff schöne erzählerische Parallelen zu schaffen. Das, was mit der Zeit am meisten an meinen Nerven gezerrt hat, waren die abrupten Perspektivwechsel, manchmal sogar mitten im Satz.
Ich vermute, dass Bernard ihrer Reihe mit ihrer Lagerfeuererzähler*in selbst den Anstrich eines Liedes geben wollte. Diese allwissende Perspektive, die von Figur zu Figur springt und einen Einblick in deren Innenleben bietet, sorgt aber auch für eine unglaubliche Distanz zur Geschichte. Ganz abgesehen davon, dass man irgendwann den Überblick verliert, wessen Kopf in diesem und jenem Nebensatz gerade ausgeleuchtet wird, gehen in diesem Meer an Gedanken und Gefühlen eher unbedeutender Nebenfiguren unter. Entsprechend ist von der spärlichen Charakterisierung der Protagonist*innen in meinem Gedächtnis nicht viel hängen geblieben.
Der Schreibstil allein lässt das Lesen ziemlich zäh werden. Damit hätte ich vielleicht noch leben können, wenn darüberhinaus das Pacing der Geschicht nicht auch noch so langsam gestaltet wäre. Man liest Seite um Seite, ohne dass die Figuren nennenswert vorankommen, weder was die Quest angeht, noch ihre persönliche Entwicklung. Erst auf S. 262 (von 416) ist der Point of no Return erreicht, der die Charaktere zwingt, sich endlich vom Fleck zu bewegen. Bis dahin soll vermutlich die Spannung durch Caers und Weyds Geheimnistuerei gehalten werden. Beide sind so unfassbar stur und darauf erpicht, alles allein zu regeln, um den jeweils anderen zu beschüzten, dass sie darüber ganz vergessen, miteinander zu reden. Das spricht nicht gerade für ein tiefes Vertrauensverhältnis zwischen unseren Protagonist*innen, die schon viele Abenteuer gemeinsam bestritten haben sollen.
Ein letzter Punkt: Es ist fast schon ein Kunststück, wie Bernard es schafft, trotz detailreichem Schreibstil die Welt kaum zu beschreiben. Es wird zur Mitte des Buches schon deutlich (mithilfe eines mehrseitigen Infodumps), was die genaue Aufgabe der Held*innen sein wird und wie es dazu kam, dass im Tal von Schur des Nachts keine Lichter entzündet werden dürfen, kein Laut von sich gegeben werden darf, wie die Schatten damit in Verbindung stehen. Dazu muss ich kurz noch sagen, dass Weyd von Anfang an weiß, was getan werden muss, damit aber aufgrund der konstruierten Spannung nicht herausrückt. An diesem Punkt habe ich mich aber auf den Rest des Buches gefreut. Ich dachte, jetzt geht es los, jetzt stürzen wir uns ins Abenteuer!
Bis sich die düstere, mysteriöse Atmosphäre mehr und mehr in eine Art Splatter-Fantasy wandelte. Die recht ausführliche Beschreibung der Brutalitäten und Grausamkeiten, die sich innerhalb der Mauern von Reuldum abspielen, nehmen überhand und waren letztendlich das Zünglein an der Waage. Ich hatte das Gefühl, dass die eigentliche Geschichte und die Figuren keine Rolle mehr spielten. Um deutlich zu machen, was für ein furchtbarer Mensch der Eiserne Baron ist, wäre diese explizite Darstellung der Gewalt (s. CNs oben) einfach nicht nötig gewesen. Zudem ist so eine plumbe Charakterisierung für einen Antagonisten auch nicht mehr interessant genug - zumindest für mich.
Zum Schluss noch etwas Positives, denn ich finde die Idee der Wayfarer-Saga wirklich spannend. Die drei Türme, die Bedeutung von Licht und Musik in einer Welt voller Dunkelheit. Die Idee mit den verschiedenen Sprachen der Elemente und Tiere, die jeder, der möchte, erlernen kann, ist einfach wunderbar! Über all diese schönen und interessanten Ideen hätte ich gerne schon im ersten Band mehr erfahren, stattdessen ist alles pechschwarz und voller Gewalt. Das Lied der Nacht hätte eine wunderbare, zeitgemäße wie zeitlose Erzählung über Furcht und Fremdenhass sein können. Darüber, wie man die Angst nur durch Begegnung besiegen kann und nicht durch Abschottung und Ausgrenzung. Ich hätte Caer und Weyd sehr gerne in mein Herz geschlossen, aber für mich ist diese Reise mit dem 7. Kapitel beendet.
Fazit: Katastrophe
Graphic: Hate crime, Rape, Sexual violence, Torture, Xenophobia, and Murder