A review by corallig
Nachmittage by Ferdinand von Schirach

adventurous lighthearted reflective fast-paced
  • Plot- or character-driven? A mix
  • Strong character development? N/A
  • Loveable characters? Yes
  • Diverse cast of characters? No
  • Flaws of characters a main focus? It's complicated

4.0

"Es sind nicht die Geschichten der Sieger, nicht die lauten Sätze, die man auf Golfplätzen und in Flughafenlounges hört. Es sind leise Erzählungen von verregneten Nachmittagen und von schwarzen Nächten, und die Helden haben das Spiel endgültig verloren.
Aber diese Geschichten beschützen uns vor der Einsamkeit, den Verletzungen und der Kälte. Und am Ende sind sie das einzige, was uns wirklich gehört."

"Alle Kunst entsteht daraus, dass sich der Künstler der Welt unsicher ist. Diese Welt passt nicht zu ihm, und er passt nicht in sie, er fühlt sich fremd, er glaubt, er gehöre nicht dazu. Er versucht, das alles einmal zu verstehen, die Welt für sich zu ordnen und durch Musik, Kunst oder das Schreiben die Wahrheit zu finden. Balzac sagte über den
Schriftsteller: »Warum sollte man Figuren erfinden, warum sollte man das Leben anderer leben wollen, wenn man sicher in der Welt ruht?« Und Hemingway schrieb an Scott Fitzgerald einen ganz ähnlichen Satz, nämlich »Du musst erst furchtbar verletzt werden, bevor Du ernsthaft schreiben
kannst.«
Aber was Thomas Mann, Balzac und Heming-
way nicht sagten, ist, dass es den Künstlern selbst gar nicht hilft, zu schreiben, zu komponieren oder zu malen. Die Unsicherheit löst sich nicht auf. Krumm und schief sind sie in diese Welt gestellt, sie scheitern an sich selbst, und nie werden sie die, die sie sein wollen. Und dann, meist erst sehr spät in
unserem Leben, begreifen wir es: Es gibt keine Antworten, es gab sie noch nie."

"Die Farbe der Nachmitage ohne Vergangenheit. Nur stimmte es nicht, wir müssen immer bezahlen. Jede unserer Handlungen beruht auf längst schon getroffenen Entscheidungen, wir entkommen uns nicht, ganz gleich, was wir tun. Aber das wusste ich noch nicht in jenem hellblauen Sommer vor 30 Jahren."

"Ich habe dieses Buch immer wieder gelesen. Aber erst heute, erst jetzt, begreife ich, wie recht der alte Fürst hat.  Auch bei mir waren es nur zwei oder drei Jahre, in denen alles stimmte. Ich habe die meisten Dinge nie ganz verstanden, sie waren zu laut und zu schnell und zu anstrengend."

"Wenn man noch sehr jung ist, können Kunst,
Musik, Theater und Literatur einen Menschen grundlegend verändern, sie brechen in das Leben ein, sie sind elementar."