A review by philantrop
Die Einsamkeit der Seevögel by Gøhril Gabrielsen

challenging dark reflective sad tense slow-paced
  • Plot- or character-driven? Character
  • Strong character development? It's complicated
  • Loveable characters? No
  • Diverse cast of characters? No
  • Flaws of characters a main focus? Yes

1.0

Gøhril Gabrielsens “Die Einsamkeit der Seevögel” verspricht in Titel und Klapptentext eine eindrucksvolle metaphorische Verbindung zwischen Natur und menschlicher Isolation, vermag diese jedoch kaum einzulösen. Der Roman greift mehrere gewichtige Themen auf, darunter sexualisierte Gewalt, Manipulation, die fragile Mutter-Kind-Beziehung, sowie ökologische Zerbrechlichkeit sowie diejenige der neuen Beziehung – und bleibt dabei doch oberflächlich und zerfahren.  

Bereits die Erzählweise ist teils überbordend und schwer zugänglich. Ein Eindruck, der durch Passagen wie die folgende verstärkt wird:

»Die Nachricht verschwindet. Ich sehe die Wörter vor mir: Zerstückelt, in unkenntliche Ziffern und Zeichen zerlegt, steigen sie zwischen den Schneeflocken auf, gleiten durch eine Wolkenlücke und weiter in den Satellitenhimmel, finden ihren Stern, der die Nachricht mit einem Blinken wieder zur Erde sendet.«

Die Naturbilder, die Gabrielsen eraufbeschwören möchte, wirken zwar bildreich, doch wie in diesem Beispiel oft schwülstig und weitaus mehr esoterisch als bedeutungsvoll. Statt mit sprachlicher Präzision zu überzeugen, verliert sich der Text im Nebel symbolischer Überladung, ohne klare Spuren für den Leser zu hinterlassen.  

Dabei hätte es durchaus Potential gegeben. Gabrielsen versucht sich an historischen Einsprengseln aus dem 19. Jahrhundert, jedoch fügen sich diese nicht organisch in die Gegenwartserzählung ein und fühlen sich „dahinfantasiert“ an. Die Vorstellung, wie Isolation und Naturgewalt den Verstand verzehren können, erinnert an Werke wie Emily Brontës “Sturmhöhe”: Die harschen Moorlandschaften und das erdrückende Gefühl der Einsamkeit dienen nicht nur als Schauplatz, sondern auch als Spiegel der psychischen Zustände der Charaktere. Während Gabrielsen dies eher bruchstückhaft inszeniert, liefert Brontë ein kohärentes Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur, das die mentale Zerbrechlichkeit in Extremsituationen (obschon anderer Natur) weitaus greifbarer macht. Doch die emotionale Tiefe und Symbolkraft jener Geschichte wird von Gabrielsen nicht erreicht.  

Die vielfältigen, verstreuten und unverarbeiteten Ansätze Gabrielsens haben zumindest mich unbefriedigt zurückgelassen. Viel Potential hatte diese Novelle, aber leider wird es vollständig verschenkt. Schade!

Einer von fünf Sternen.