A review by birgits_bookshelf
Muss ich das gelesen haben?: Was in unseren Bücherregalen und auf Literaturlisten steht - und wie wir das jetzt ändern by Teresa Reichl

5.0

Teresa Reichl fragt in ihrem Sachbuch "Muss ich das gelesen haben?" und wenn man diese Frage auf ihr eigenes Buch anwendet, würde ich sofort mit einem lauten und eindrücklichen JA antworten. Ich habe viele Bücher über Literatur in meinem Germanistik-Lehramtsstudium kennengelernt, aber das wichtigste, vor allem in Vorbereitung auf meinem Beruf, ist dieses!
Reichl stehlt in ihrem Buch den Literaturkanon an Schulen in Deutschland und Österreich in Frage, der von weißen, hetero, cis Männern der Oberschicht dominiert wird, die viel zu oft über Perspektiven schreiben, die sie selbst nie erfahren haben. Und genau das möchte die Autorin ändern. Humoristisch und leicht verständlich zeigt sie, dass und wieso das überhaupt ein Problem ist (was mir schon bekannt war, leider denken aber viel zu viele überhaupt nicht darüber nach) und mach auch gleich gute Gegenvorschläge von Autor:innen, die tatsächlich den (nicht nur in unserem Kanon) marginalisierten Gruppen der Frauen, queeren Personen, jüdischen und muslimischen Personen, Behinderten/Personen mit Behinderung, Arbeiter:innen, Sinti*zze und Rom*nja und Bi_PoC angehören (ja, eine lange Liste, nein, ich werde niemanden auslassen, damit sie kürzer ist).
Ich hatte im Studium teilweise echt gute Seminare und war mir vieler dieser Probleme bereits bewusst, dadurch war bei der Theorie nicht so viel Neues für mich dabei. Ich habe mir auch schon vor längerer Zeit vorgenommen diverser zu lesen, was gar nicht so einfach ist (Dank Teresa Reichl habe ich jetzt einige Vorschläge). Leider denken viele gar nicht darüber nach, was oder wen sie lesen und viel zu viele Lehrkräfte folgen blind dem altbewährten Kanon, deshalb ist es so wichtig, dass vor allem Personen, die sich beruflich mit Literatur und dem Literaturkanon beschäftigen und diesen beeinflussen können, dieses Buch lesen! Vielleicht schreckt die Sprache erstmal ab, besonders wenn man im akademischen Bereich auf etwas ganz anderes gedrillt wurde, aber da gewöhnt man sich schnell dran und spätestens im Abschnitt über die (abwesende) Literatur der Arbeiter:innenklasse fühlt man sich mit seinen Gedanken etwas ertappt (No Spoilers!).