A review by premium_huhn
Shards of Time by Lynn Flewelling

4.0

Auf der im Krieg gegen Plenimar zurückeroberten heiligen Insel Kouros geht es nicht mit rechten Dingen zu: Der Gouverneur und seine Frau wurde in einem von innen verschlossenen Raum geradezu zerrissen, der einzige Zeuge redet wirr von Geistern und gesichtlosen Dämonen. Prinzessin Klia wird ausgesandt, die administrative Leitung auf der Insel zu übernehmen und den Mord aufzuklären. Begleitet wird sie von ihrem Hofmagier und Geliebten Thero, dessen Lehrling Mika sowie den königlichen Spionen Seregil und Alec, die beide zur Tarnung eine Baronie auf der Insel verliehen bekommen. Vor Ort wird schnell klar, dass an den Spukgeschichten mehr dran ist, als ihnen allen lieb sein kann.

Aaaah, dieser Band schließt die Reihe würdig ab. Definitiv der schaurigste, mit toller Darstellung eines Totenreichs und schauderhafter Ritualorte und ziemlich gruseligen Geistererscheinungen. Das Personal ist diesmal kleiner - hier geht es um die vier uns ans Herz gewachsenen Hauptcharaktere Klia, Thero, Alec und Seregil, deren Beziehungen erkundet, auf die Probe gestellt und vertieft werden.

Oh und das kann die Autorin sehr gut: Die Handlung als solche ist absolut lesenswert und steht problemlos für sich. Nie hatte ich das Gefühl, dass sie nur Vehikel für die Darstellung irgendwelcher Romanzen ist. Aber ganz nebenbei sehen wir dabei zu, wie das Erlebte die Charaktere und ihre Verbindungen untereinander formt.

Als sehr angenehm empfand ich den sachlich geführten Streit zwischen Seregil und Alec über das Vertrauen ineinander und das Loslassen, der bereits im vorigen Band seine Anfänge nahm. Seregil ist über den zeitweisen Verlust Alecs während ihrer Zeit in Plenimar nicht hinweg und fängt an zu "klammern". Alec wiederum empfindet das als Herabwürdigung seiner eigenen Fähigkeiten und als Verlust von Selbstständigkeit. Und - haltet euch fest! - die sprechen da einfach drüber und lösen das Problem! Überhaupt - das muss man der ganzen Reihe zugute halten - entstehen nie Probleme daraus, dass einander nahestehende Personen nicht miteinander sprechen würden. Das ist so eine Wohltat. Denn so ergibt sich die Handlung tatsächlich aus spannenden Begebenheiten, die es gemeinsam aufzulösen gilt.

Damit in Verbindung steht auch eine andere Wohltat, die mir ebenfalls über die ganze Reihe hinweg in Erinnerung blieb: das Fehlen von absurden Eifersuchtsattacken und Besitzdenken. Es gibt so viele Romanzen, in denen innige Beziehungen gleichgesetzt werden mit einem Besitzanspruch an dem/der jeweils anderen und grässlicher Eifersucht gegenüber jeder Person, die auch nur ein Wort mit dem/der Geliebten zu wechseln wagt. Das passiert hier einfach nicht. Seregil ist mit einer ziemlichen Menge an vorherigen Liebhaber/innen nach wie vor befreundet. Seregil und Alec finden unabhängig voneinander auch mal andere Leute gutaussehend. Und - haltet euch noch mehr fest - niemanden juckts. Weil ihre Beziehung auf Offenheit und Ehrlichkeit beruht, ermöglicht ihnen das, einander angemessene Freiheiten zu geben und sich dabei sicher zu sein, dass verabredete Grenzen eingehalten werden.

Weitere Wohltat: Mika. Ein toll geschriebenes Kind, das nicht die Hauptfigur ist! Mika ist nicht dumm, aber er ist eben noch ein Kind und denkt wie ein Kind. Ohne dabei aber zum Hemmschuh der Handlung zu werden. Im Gegenteil: Durch Mikas Augen sehen wir Dinge, die durch die Augen der Erwachsenen nicht möglich gewesen wären. Mikas Offenheit bringt Konflikte zutage, die sonst lange geschwelt hätten. Wundervoll! Charakterzeichnungen liegen der Autorin und Mika ist keine Ausnahme.

Alles in allem wie gesagt ein würdiger Abschluss der Reihe, der einige letzte lose Fäden aufgreift und verknüpft. So spannend wie die vorigen Bände und absolut lesenswert.

So. Und jetzt, wo ich alle Bände durch habe, kann ich hoffentlich endlich Schlaf nachholen. @__@