mariusdippel 's review for:

3.0

Dieses Buch ist das erste, bei dem ich am liebsten 3,5 Sterne geben würde. Ich entscheide mich ganz egoistisch für 3 Sterne. Um die generelle Bewertung ein wenig mehr in meine Richtung zu verschieben, wenn auch verschwindend gering.

Jordan B Peterson’s Buch enthält viele wundervolle Passagen. Es hat mich mehrmals dazu gebracht meinen Lesefluss zu stoppen, vom Buch aufzublicken und mich von den einzelnen persönlichen Geschichten bewegt zu fühlen. Das ist für meine Verhältnisse etwas besonderes. Der Satzbau und seine Ausdrucksweise gefallen mir sehr.

Auch die „12 Rules for life“ sind treffend und haben einen großen Mehrwert für mich. Wobei die meisten der Prinzipen mir nicht neu erscheinen schadet es dennoch nicht, sie ab und an erneut dargelegt zu bekommen. Vor allem aus der Sicht eines anderen Menschen. Und deren Begründung. Und hier greifen auch meine größeren Kritikpunkte:

Zu Beginn gibt Peterson an, dass er sich ausgiebig mit verschiedenen Glaubensrichtungen und deren Philosophien auseinandergesetzt hat. Ich will ihm nicht unterstellen, dies nicht getan zu haben. Ich will ihm jedoch vorwerfen bestimmte Glaubensrichtungen für „richtiger“, beziehungsweise „glaubhafter“ zu halten. Seine Regeln beinhalten viele (und leider ausschließlich) christliche Weltbilder und eben auch deren Konnotation. Das ist per se nichts verwerfliches, doch sich zu Beginn selbst einer gewissen Objektivität zuzuschreiben und sich dann nicht ein einziges Mal nennenswert auf andere Religionen zu beziehen ist für mich das Gegenteil von Objektivität. Natürlich bin auch ich nicht objektiv was meinen Glauben angeht. Aber im Gegenteil zu der Einleitung von Peterson behaupte ich das auch nicht.

Ganze Kapitel bestehen teilweise aus Bibelzitaten und er Geschichte von Adam und Eva, Cain und Abel, um einige Beispiele zu nennen. Daher lassen sich viele seiner Regeln eben auf ein stark westlich und christlich geprägtes Weltbild zurückführen. Das mag die meisten Leute ansprechen, aber eben viele ausschließen. Ich behaupte hier einfach einmal, dass ich als Buddhist mit diesen Regeln sich nicht so einfach übereinstimme. Und schon gar nicht mit deren Herleitung und Begründung. Deshalb finde ich die Regeln eher auf bestimmte Gemeinschaften zugeschnitten. Ich hätte etwas mehr Universalität schön gefunden.

Ein anderer Kritikpunkt ist eine stark konservative Sichtweise bei einigen Punkten, die ich für nicht mehr ganz zeitgemäß halte und auch hier deren Begründungen eher für vage erachte. Ein Beispiel ist sein Weltbild von Mann/männlich und Frau/weiblich. Ich will hier nicht im Detail seine Meinung dazu wiedergeben (und das könnte ich mir Verlaub auch nicht mehr präzise genug), aber er scheint die momentane Bewegung des Feminismus zumindest kritisch zu sehen.

Das darf man durchaus tun, aber sollte man dafür andere Gründe aufführen, als Peterson das tut. Er wird hier streng historisch und verweist darauf, wie das Verhältnis von Frau und Mann doch schon immer gewesen ist (Frauen suchen sich starke und intelligentere Partner zu ihrem Schutz, Männer wollen Unterlegene Frauen). Das mag seine Richtigkeit haben, aber die typische Schlussfolgerung, dass Sachen ja „schon immer so wahren“ hält in sich für mich keine Schlüssigkeit parat. Die Gefüge in denke wir leben haben sich in den letzten 100/200 Jahren massivst verschoben. Wir haben den Punkt erst vor kurzem überschritten, an dem der (leider zur jetzigen Zeit überwiegend nur der westliche) Mensch um sein nacktes Überleben kämpft. Alte Geschlechterrollen haben zu diesen Zeiten sicherlich einen wirklichen Mehrwert für das Überleben bedeutet. Gerade aber heute sind diese nicht mehr zu vergleichen mit den Sozialstrukturen, die wir besitzen oder gerade dabei sind aufzubauen.

Diese Kritikpunkte sind für mich keine Kleinigkeit. Deshalb haben sie ein starkes Gewicht auf meine Bewertung. Da die Regeln aber wie gesagt auch für mich viel lehrreiches enthalten und man diese auch mit anderen guten Gründen sicherlich untermauern kann würde ich wie gesagt gern mit 3,5 Sternen bewerten.