A review by celina31
Wir müssen über Geld sprechen by Otegha Uwagba

informative reflective medium-paced

4.0

Ich muss zugeben, dass ich mir vom Inhalt dieses Buchs etwas anderes erwartet hatte. Ich hatte mit einem Ratgeber gerechnet, vielleicht auch in Richtung Selbsthilfe gehend. Tatsächlich ist es aber hauptsächlich eine Autobiographie. Uwagba beschreibt ihr Aufwachsen in einem armen Londoner Stadtteil, vor allem aber ihre Schulzeit und das daran anschließende Studium in Oxford.
Sie geht darauf ein, wo Unterschiede zwischen ihren Mitschülerinnen, die zumeist aus wohlhabenden Familien stammten, und ihr, die dank eines Stipendiums die Schule besuchte, bestanden. Auch an der Universität gab es häufig noch diese Unterschiede. Sie schreibt aber auch, dass sich viele Gemeinsamkeiten ergeben, weil man sich im gleichen Lebensabschnitt befindet. Ein Wandel vollzieht sich, als das Thema Finanzen zunehmend wichtig wird. Mussten sich zunächst alle mit Aushilfsjobs behelfen, zeigt sich bald, dass manchem*r Gleichaltrigen der Weg nach dem Uni-Abschluss dank wohlhabender bis reicher Eltern und/oder Großeltern und deren Beziehungen geebnet wird.
Uwagba geht es nicht darum, jungen Menschen mit wohlhabenden oder reichen Familien herunterzumachen oder ihnen Scham ob des, selten selbst verdienten, Reichtums zu machen. Mit Wir müssen über Geld sprechen will sie aufzeigen, dass wir immer mal wieder unsere eigenen Privilegien hinterfragen sollten. Ich denke, das ist heute vielen nicht mehr unbekannt. Aber wir denken dabei wohl vor allem an Faktoren wie Race oder Gender (zumindest geht es mir so), während ein ebenso wichtiger, vielleicht noch wichtigerer, Faktor das Geld ist.
Unterfüttert mit Statistiken und Studien zu den Themen Rassismus, Sexismus und Klassismus beschreibt sie, welch großen Unterschied ein gut gefülltes Bankkonto von Geburt an macht.
Besonders authentisch fand ich dabei, dass sie immer wieder auch ihre ohnmächtige Wut zum Ausdruck bringt. Sie will ihren Freund*innen, die sich dank Mama und Papa mit Mitte 20 ein Haus kaufen, dieses Haus nicht missgönnen. Aber sie, und wir alle, bekommt von den Medien vorgespielt, dass es nur an ihr liege, wenn sie mit 30 „noch immer nicht“ in der Lage ist, ein Haus zu kaufen.
Ein wichtiges Buch, das mir vor allem gezeigt hat, wie schädlich es ist, sich nicht über Geld zu unterhalten und, fast noch wichtiger, wie schädlich es wird, wenn wir uns gegenseitig vorgaukeln, dass alles, was wir erreichen durch unsere eigene Leistung zustande kam. Und nicht etwa durch Privilegien, die fast alle von uns in irgendeinem Bereich haben, und ganz viel Glück.