A review by weltenkreuzer
Der Krieg mit den Molchen by Karel Čapek

5.0

Ein intensives Buch, das seiner Zeit (1936) weit voraus war: Galt es damals in erster Linie als Kritik am und Warnung vor dem Vormarsch der Nazis, kann man es heute aus unendlich vielen Perspektiven lesen.

Aber erst ein paar Worte zur Handlung: Irgendwann in den 1920er Jahren entdeckt der niederländische Kapitän van Toch eine Bucht in Südostasien, die von überraschend intelligenten, etwa menschengroßen Molchen besiedelt wird. Er findet heraus, dass sie von Haien bedroht werden, und beliefert sie mit Waffen, die sie wiederum mit Perlen bezahlen. Mit der Hilfe des Industriemagnaten Bondy beginnt er, die Molche, die sich sehr schnell vermehren, in anderen Buchten anzusiedeln, wo er gegen einfache Messer und Harpunen Perlen erhält. Nachdem das Geschäft mit den Perlen im Laufe der Zeit immer weniger rentabel wird und die Molche sich immer noch über alle Maßen vermehren, beschließen Bondy und seine Firma, die Molche als fleißige Unterwasserarbeiter zu vermieten. Sie errichten jedoch nicht nur Hafenanlagen, sondern schütten auch neues Festland auf und erweitern Küstenlinien. Im Laufe der Zeit werden sie von den Menschen immer weniger als Tiere gesehen, sondern als intelligente Wesen, denen grundlegende Rechte wie Arbeitszeiten oder Schulbildung zustehen. Schließlich werden die Molche sogar als Soldaten eingesetzt. Mit der Zeit vermehren sie sich jedoch so stark, dass ihnen die zugewiesenen Küsten irgendwann nicht mehr ausreichen...

Capeks Erzählweise ist dabei sehr eigen, erzeugt aber nach dem etwas zähen Einstieg im Stil klassischer Abenteuerromane einen unglaublichen Sog: Nur selten erzählt er in klassischer Form einen Roman. Vielmehr vermischt er unterschiedliche Textsorten wie Reportagen, populärwissenschaftliche Texte, historische Quellensammlungen oder politische Manifeste, um die Geschichte der Menschen und der Molche zu erzählen. Auf diese Weise blickt er aus einer Makro-Perspektive auf die Welt, ohne erklären zu müssen, warum eine Romanfigur alle diese Entwicklungen beobachten kann. Dieser Teil bleibt daher notwendigerweise eher abstrakt, ist aber nichtsdestotrotz extrem spannend zu lesen. Capek bindet diese Entwicklungen auf der großen Bühne jedoch immer wieder an das Leben einer Person: den Portier des Industriellen Bondy, Povondra: Dieser sieht sich verantwortlich für den Aufstieg der Molche, da er van Toch damals zu seinem Chef vorgelassen hat und die beiden ihren Perlenhandel aufziehen konnten. Gleichzeitig erlebt der den Aufstieg der Molche aus der Distanz, da er sich an den Meeresküsten abspielt, von denen Tschechien fast 1000 Kilometer entfernt liegt.

Wie zu Beginn angedeutet, lässt sich "Der Krieg mit den Molchen" auf unglaublich vielen Ebenen lesen: als Parabel auf den Aufstieg der Nazis, als Illustration des Nationalismus' und des Rassismus', als Anklage des Sklavenhandels, als Darstellung der Industrialisierung und der Arbeiterbewegung, als Verurteilung des menschlichen Strebens nach Macht und Geld, als Kapitalismuskritik und nicht zuletzt auch als Warnung, sparsam mit den Ressourcen unseres Planeten umzugehen. Das Hauptwerk Capeks wird damit zu einer universellen Parabel über die dunklen Seiten des Menschen.