A review by marleysclassics
Michael Kohlhaas by Heinrich von Kleist

adventurous challenging reflective tense medium-paced
  • Plot- or character-driven? A mix
  • Strong character development? Yes
  • Loveable characters? No
  • Diverse cast of characters? No
  • Flaws of characters a main focus? Yes

3.5

Kleists Schreibstil ist immer noch ein zweischneidiges Schwert: Einerseits sind die Sätze nicht selten überkomplex (und der Satzbau auch irreführend, daher war ich sehr dankbar für die Anmerkungen in dieser Edition, die das aufgezeigt haben). Andererseits liebe ich diese Sätze auch (solange sie in sich sinnvoll sind), weil sie Geschehnisse und Gefühle auf eine (aus heutiger Sicht) unkonventionelle Weise beschreiben und so subtil eine neue Perspektive darauf geben.
Es war also eher die Komplexität in Bezug auf die Handlung, die mein Leseerlebnis etwas erschwert hat: Es tut mir leid, aber die Grenzen und Politik, Adelstitel und Regelungen des zerstückelten Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation des 16. Jahrhunderts gehen eben nicht so ganz in meinen Kopf. Wenn also ewig lang ebendiese Dinge aufgezählt werden, dann führt das zu gewissen Verständnisproblemen. Das ist vor allem in der zweiten Hälfte der Fall, während in der ersten viel mehr passiert, das richtig mitreißend ist. Kleist beschreibt die Geschehnisse dabei auch so bildlich, dass tatsächlich ein Film vor dem inneren Auge abläuft. 
Besonders geht es in „Michael Kohlhaas“ aber natürlich um ihn selbst. Obwohl alles andere als sympathisch - ich glaube, für Männer des 16. Jahrhunderts die von Männern des 19. Jahrhunderts geschrieben wurden, ist das kaum möglich -, ist die Mischung aus Mitgefühl, die man als Leser*in aufgrund der verwehrten Gerechtigkeit, dem Mitfiebern, dass man trotz seiner Schandtaten bis zu einem gewissen Punkt empfindet, gegenüber der Verachtung, die man seiner Selbstüberschätzung und eigenen Ungerechtigkeit irgendwann fühlt, einfach spannend.
Insgesamt also nicht das einfachste Buch, das ich der zweiten Hälfte auch die ein oder andere Länge aufweist; gleichzeitig aber überraschend fesselnd und nimmt mit in eine mittelalterlich-neuzeitliche Welt von Rittern, Junkern und Rosshändlern.