A review by wran
Das Festmahl des John Saturnall by Lawrence Norfolk

5.0

Ein grandioses Leseerlebnis! Kurzweilig, detailverliebt, spannend. Wie erwartet, handelt es sich um einen historischen Roman. Die Hauptfigur John wächst in einem kleinen, abgelegenen und furchtbar ärmlichen Dorf im Norden Wales in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts allein mit seiner Mutter auf. Susan ist die Kräuterkundige und Hebamme des Dorfes. Sie wird solange akzeptiert, bis ein religiöser Eiferer das Dorf nach einer Epidemie gegen sie aufwiegelt und sie in die Wälder vertreibt. Erst jetzt wird das Hauptthema deutlich: Auf der Flucht erfährt John von seinem spirituellen Erbe. "Das Festmahl" ist eine heidnisch-gälische Vorstellung, deren Geheimnis John auf Anweisung seiner Mutter nachgeht. Die Suche nach seiner Identität verwickelt ihn in den englischen Bürgerkrieg, eine nicht standesgemäße Liebe und in die Intrigen und Künste, die eine herrschaftliche Küche der Zeit zu bieten hatte. "Das Festmahl des John Saturnall" ist damit eher ein Entwicklungsroman, in dem die historischen Ereignisse als Hintergrund für die innere und äußere Entwicklung des Helden dienen. Zu meinem Lesevergnügen hat beigetragen, dass John ein überaus sympathischer Protagonist ist, neugierig, engagiert, loyal, empathisch, ein bisschen hitzköpfig, dem ich auf seinem abenteuerlichen Weg gerne gefolgt bin. Norfolk gelingt es, sowohl das ärmliche Tal von Buckland als auch dessen Herrenhaus und seine Bewohner so lebendig zu beschreiben, dass man es gar nicht verlassen möchte. Details über die Kochkunst, die Organisation einer Großküche des 17. Jhs. haben mich fasziniert, könnten andere natürlich langweilen, vor allem, weil der Großteil der Handlung in der Küche von Buckland Manor angesiedelt ist und nicht auf den Schlachtfeldern des Bürgerkrieges. Für mich ein eindeutiges Plus! Ich bin vom Eintauchen in die Alltagsgeschichte, in diesen Mikrokosmos begeistert. Um jetzt nicht völlig unglaubwürdig zu wirken, will ich wenigstens einen problematischeren Punkt erwähnen. Manche Handlungsstränge lässt Norfolk ins Leere laufen, es gibt Fragen, die aufgeworfen werden und bis zum Ende offen bleiben. Aber auch das hat für mich das Leseerlebnis nicht geschmälert. Absolute Leseempfehlung für Freunde von historischen Entwicklungsromanen mit Schwerpunkt Alltags-/Küchengeschichte.