A review by taunusleserin
Desorientale by Négar Djavadi

emotional informative inspiring sad medium-paced
  • Plot- or character-driven? A mix
  • Strong character development? It's complicated
  • Loveable characters? Yes
  • Diverse cast of characters? Yes
  • Flaws of characters a main focus? No

5.0

Négar Djavadi beschreibt in ihrem autobiographischen Debütroman das Leben der Familie Sadr im Iran der 1970er Jahre, ihre Flucht 1981 nach der Revolution und ihr Ankommen und Leben im Paris der 1980er und 1990er Jahre. Dabei spannt sie den Bogen über drei Generationen der weitverzweigten Familie.

Während die Ich-Erzählerin Kimiâ (der jüngste Sadr-Spross) ihre Kindheit als behütet wahrnimmt, ziehen für die Eltern, die sich politisch engagieren, bereits die ersten Wolken am Horizont auf. Nach dem Sturz des Schahs 1979 und der Machtübernahme der Mullahs reist zunächst der Vater vor nach Paris. Als die Familie nachkommen will, bleibt ihr nur die beschwerliche Flucht mit Hilfe eines Schleusers, teilweise per Pferd, über die Berge. Angekommen in Paris sind die drei Schwestern überwiegend auf sich selbst gestellt. "Nachdem wir aus dem Paradies vertrieben wurden, sind wir uns ein Stück weit fremd geworden; wurden zu Wesen, die von anderen Kulturen geprägt wurden, von anderen Sprachen, die auf die Geleise eines Lebens gesetzt wurden, das nicht unseres hätte sein dürfen."

"Seit sechs Jahren bemühten wir uns tagtäglich, ansatzweise das normale Leben von Jugendlichen unseres Alters zu führen, aus Verlangen (Leïli [die älteste Schwester]), aus Bequemlichkeit (Mina [die mittlere Schwester]) oder aus Notwendigkeit (ich [Kimiâ]), während unsere Bemühungen unaufhörlich zunichte gemacht wurden. In unterschiedlichster Form - Kriegen, Familien, Depressionen, Briefen, Informationen und jetzt Mord - trat unvermeidlich irgendwann unsere dramatische Vergangenheit in Erscheinung. Wir waren wie diese klebrigen Gummimännchen, die man gegen eine Wand wirft und die sofort anfangen herunterzupurzeln. Unser Schicksal war die Tragödie des Absturzes."

Mir hat das Buch unglaublich gut gefallen. Es ist sehr authentisch geschrieben, man erfährt viel über das Leben im Iran vor der Revolution, hauptsächlich aus Sicht der kleinen Kimiâ, die eine gute Beobachterin ist und (sich selbst) die richtigen Fragen stellt (auch wenn sie auf viele Fragen keine Antwort erhält). Sympathisch fand ich auch die Wikipedia-Einschübe der Autorin, die mit einem bittersüßen Humor geschrieben sind. Große Leseempfehlung!