A review by zarahzoe
Drei Kameradinnen by Shida Bazyar

5.0

"Wir unterhielten uns gut, wir verstanden uns gut, aber das reichte doch nicht, um eine Freundin zu sein. Man muss doch mehr teilen als sowas. Mindestens eine Kindheit. Mindestens ein halbes Leben. Mindestens zwei Diskriminierungskategorien."

Es fällt mir wahnisinnig schwer, etwas über dieses Buch zu formulieren, ohne mich wie eine weiße fake-Ally-Persönlichkeit zu fühlen. Die Alltagserlebnisse, von denen berichtet wird, sind nicht neu, wer sich schon mal mit Menschen mit Migrationserfahrung unterhalten hat, hat genau diese oder ähnliche Geschichten schon gehört. Wer selbst Migrationserfahrungen hat, hat diese Geschichten erlebt. Jedenfalls nehme ich das an, denn aus eigener Erfahrung weiß ich es ja nicht.Es ist ungemütlich und anstrengend, sich damit auseinanderzusetzten, aber noch anstrengender, diesen Situationen ausgesetzt zu sein. Außerdem notwendig für und Weiße, zu wissen, was abgeht, um bessere Allys zu sein.
Außerdem schafft Bazyar es durch verschiedene Mittel, Leser*innen ihre eigenen Vorurteile vor Augen zu führen, indem sie Namen und Orte verklärt, einem Nazi den einzigen Klarnamen im Buch zuschreiibt, die vierte Mauer durchbricht, Lesende direkt anspricht und der Voreingenommenheit beschuldigt, die Neugier aufzeigt. Die Interaktionen der Hauptfiguren mit weißen Öko-Chefinnen, weißen Feministinnen, weißen Yoga-Lehrerinnen, weißem Thekenpersonal, weißen Späti-Verkäufern, halten außerdem weißen Leser*innen einen Spiegel vor, und es ist schmerzhaft, da reinzuschauen. Kasih ist eine unzuverlässige Erzählerin, aber es wäre zu einfach, ihr einfach nicht zu glauben, auch wenn sie Formulierungen benutzt wie "das habe ich mir ausgedacht".

Die Liebe und die Solidarität zwischen den drei Frauen, von denen dieses Buch handelt, hat mir die Kehle zugeschnürt. Auch wenn es auf oberster Ebene um Rassismuserfahrungen geht, denen jede Person mit Migrationserfahrung, egal ob in erster, zweiter oder zwanzigster Geneartion, ausgesetzt ist, ist die Freundschaft für mich der goldene Faden, der die Geschichte erträglich macht. Mehrfach wird der Begriff "Ghettoisierung" benutzt, und viel rechte Rhetorik aufgedröselt anhand dieser Freundschaft.

Auch wenn es unangenehm war, habe ich "Drei Kameradinnen" sehr gerne gelesen. Eigentlich sollte sowas Pflichtlektüre sein.