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Der nasse Fisch by Volker Kutscher
1.0

Dieses Buch könnte wirklich fantastisch sein – wenn es nicht so unterirdisch schlecht geschrieben wäre.

Ganz im Ernst, könnte man hier null Sterne vergeben, würde ich es tun.

Allerdings muss ich auch zugeben, dass ich das Buch nicht sehr lange gelesen habe. Ich bin nur etwa 60 Seiten weit gekommen.

Und bevor jetzt alle wieder das Schreien anfangen, von wegen „Wie kannst du es wagen, ein Buch zu be- und verurteilen, obwohl du es gar nicht zu Ende gelesen hast?“, hier ist der Grund:

Weil es mich nicht mehr interessiert! Dieses Buch ist so schlecht, dass es schon auf den ersten gerade mal 60 Seiten geschafft hat, mir mein anfänglich großes Interesse zu nehmen und es dann auch noch in komplette Gleichgültigkeit zu verwandeln.

Deshalb!

Ich hatte das Buch bei meinem letzten Berlin-Urlaub in einem Hugendubel entdeckt und der Klappentext versprach auf jeden Fall spannende Unterhaltung. Dann hatte ich noch ein bisschen reingelesen, irgendwo in der Mitte, und es hörte sich tatsächlich gar nicht so schlecht an. Ich hatte eine Stelle erwischt, in der die Leute tatsächlich „Berlinerisch“ reden (wenn auch nicht immer ganz korrekt) und ich mag diesen Dialekt. Schließlich bin ich ja Berlinerin. (Zwar „im Exil“, aber ich bin in Berlin geboren und habe immerhin 21 Jahre da gelebt.)

Berlin in den 20er/30er Jahren, politische Wirren, Mord… klang auch nicht schlecht.

Also entschloss ich mich dazu das Buch zu kaufen und freute mich auf einen schönen, „alten“, spannenden Berlin-Krimi.

Diese Freude verpuffte allerdings praktisch gleich nach dem Prolog.

Ja, okay, Gereon Rath arbeitet zur Zeit bei der Sitte. Mir ist klar, dass es da sprachlich etwas derber zugeht, aber irgendwie hatte ich trotzdem die ganze Zeit das Gefühl, ich befinde mich im Berlin der Gegenwart. Polizei und Abteilung Sitte hin oder her, das ist in einer so derart… einfachen und ordinären Sprache geschrieben, dass absolut keine 20er-Jahre-Atmosphäre aufkommen will. Sätze wie „Der König bumst beim Kaiser“ oder „Ein fickender Kaiser reicht da nicht“, finde ich weder besonders lustig noch irgendwie 20er-Jahre-Style.

Und 20er Jahre Pornos? Echt jetzt? Damit fängt das Buch an? Rasend interessant.

Und dann kommt auch noch der kokainsüchtige Strippenzieher. Genau.

Die Charaktere bleiben absolut flach und uninteressant, es gibt keinen Punkt, an dem man irgendwie mit einem von ihnen mitfiebert oder dass auch nur ein Fünkchen Sympathie aufkommt, die Dialoge wirken lustlos und konstruiert. Ich hatte den Eindruck, der Autor will einem irgendwie vermitteln, dass die Jungs von der Sitte eine total gute und coole Truppe sind, aber für den Leser kommen sie nur wie gefühllose Idioten rüber. Oder zumindest mal für mich.

Und wie ich diese Frage hasse: „Wann hattest du eigentlich zum letzten mal eine Frau? Kein Wunder, dass du dich bei der Sitte nicht wohlfühlst, wenn du lebst wie ein Mönch.“

Ja. Sex ist die Lösung für alle Probleme.

Gott sei Dank schläft der Protagonist im nächsten Absatz gleich mal mit seiner 10 Jahre älteren Cougar-Vermieterin, die er eigentlich gar nicht leiden kann und über die er vorher nur gelästert hat. Und obwohl er gerade behauptet hat, er „hatte vorerst die Nase voll von Frauen“. Was für ein toller Kerl!

Nee, echt nicht.

Und es hilft auch nichts, wenn man dem Leser erklärt, dass man gerade über den Alexanderplatz läuft. Und dass das Präsidium am Alexanderplatz steht. Oder dass ein Auto über den Alexanderplatz fährt. Wir haben es begriffen!!! Du hältst dich am Alexanderplatz auf!!!

Ach, überhaupt! Die ersten 60 Seiten dieses Buches waren langweilig, konstruiert, humorlos und absolut enttäuschend. Ich hatte etwas erwartet wie z. B. die Charaktere in dem Film „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ (Ja, dumm von mir, ich weiß.), was ich gekriegt habe, waren kokainsüchtige Pornokaiser, die nicht richtig berlinern können.

Da ich mich geschichtlich in dieser Zeit nicht wirklich gut auskenne, hätte ich die ab und zu von anderen Lesern erwähnten „inhaltlichen Fehler“ sowieso nicht mitgekriegt, daher hat mich daran auch nichts gestört. Andererseits ist auf den ersten 60 Seiten ja auch noch gar nichts passiert – weder fallmäßig noch politisch.

Und dem Autor ist es in diesen 60 Seiten nicht gelungen, mich davon zu überzeugen, dass das Buch danach besser wird; dass die Charaktere eine Entwicklung zum Besseren durchmachen werden; dass es sich lohnt, sich durch den Anfang zu quälen und einfach weiterzulesen, weil man am Ende mit einem spannenden Finale und einer überraschenden, einleuchtenden Wendung belohnt wird.

Nein, DAS Vertrauen kam in mir nie auf.

Deshalb habe ich mich entschlossen, dieses Buch nicht weiter zu lesen. Es ist mir absolut und komplett piep egal, was mit Gereon Rath und den anderen passiert und was es nun mit dem Toten auf sich hat.