A review by ba_ru
12 Rules for Life: An Antidote to Chaos by Jordan B. Peterson

2.0

Beim Lesen dieses Lebensratgebers fiel es mir schwer zu glauben, dass man es hier mit einem Psychologen des 21. Jahrhunderts zu tun hat. Ich bekam stattdessen den Eindruck, dass es sich hier um einen Prediger handelt, denn anstelle Studien und verbreitete Lehrmeinungen darzustellen und zu erklären, schöpft Peterson sehr oft aus der Bibel, um seine Thesen und seine Meinungen zu beweisen. Die Bibel ist für ihn ein Werk, in dem uraltes Wissen niedergeschrieben ist, nicht nur wie die Menschen miteinander umgehen, sondern auch wie sie mit einander umgehen sollen. Seine Ansichten und Interpretationen durchmischt er mit seiner politisch-gesellschaftlichen Meinung, die sicherlich konservativ ist, stellenweise auch reaktionär.

So predigt am Ende Peterson, dass Väter hinter ihren Töchtern stehen sollen und ihnen helfen sollen, Beruf und Familie in Einklang zu bringen, mit Augenmerk, dass Familie schon das primäre Ziel ist. Okay ... Und was sollen Väter für ihre Söhne leisten? Ihnen helfen, (wie) der Sohn Christi zu werden! Während es also bei den Frauen um weltliche Dinge geht, geht es bei den Männern um die Transzendenz, den Opfertod für die große Sache. Die Frau, die sich in einer Karriere oder für ein anderes politisches oder künstlerisches Ziel aufopfern möchte, spielt in seiner Welt ebenso wenig eine Rolle, wie der Mann, der sich primär um die Familie kümmern will. Das schränkt die Reichweite dieser Lebensregeln schon stark ein, vielleicht sind die Abweichler auch als das Chaos zu verstehen, dass er mit diesem Buch bekämpfen will.

Wenn er nicht die Bibel verwendet, dann verwendet er gerne Beispiele aus seinem privaten Leben, Man hört von Freunden und Bekannten und von ihren Tiefen, von seiner Tochter und ihrer schweren rheumatischen Erkrankung. Als künstlerische Werke sind neben der Bibel vor allem Disney-Filme zentral zur Erklärung von (angebrachten) Verhalten. Aber nicht Frozen, denn dies sei zutiefst Propagandistisch, da die Protagonistinnen keinen Mann zur Rettung brauchen.

Damit ist nicht gesagt, dass Peterson (aus meiner ganz persönlichen Sicht) immer daneben liegt. Wenn er sagt, dass man Kinder nicht beim Skateboard fahren stören soll und damit meint, dass man Kinder und Jugendliche auch Risiken eingehen lassen muss, dass überprotektive Eltern Entwicklungsprobleme auslösen können, dass man präzise sprechen sollte oder dass man eine Katze streicheln soll, wenn sie einem begegnet (also das Beste aus unserem Leben zu machen), dann ist daran nicht so viel auszusetzen, es ist aber auch nicht sonderlich spektakulär.

An anderen Stellen blieb er für mich unklar. So weiß ich immer noch nicht, ob ich nun zur Erziehung auch Kinder mal schlagen soll oder ob es nur verzeihlich ist, wenn es mal passiert. Oder warum genau der Schlenker über die Verbrechen der Kommunisten nun so wichtig war, um mit Teilen der Linken von Heute abzurechnen. Peterson erzählt viel, gibt viele Anweisungen und vieles bleibt einem auch nicht sonderlich präsent, da die Struktur nicht immer gelungen ist, sondern chaotisch und sprunghaft ist. Das englische Hörbuch wird dazu von ihm gelesen, auf die Dauer kann aber seine Erzählstimme unangenehm werden, da er keine ruhige und gleichmäßige Stimmlage wählte, sondern eine sehr enagierte, die stellenweise in den Ohren schmerzt. Zusätzlich ist das englische Hörbuch von schlechter Tonqualität und Hintergrundgeräuschen geprägt.

Wer männlich und konservativ ist, der christlichen Religion nicht abgeneigt ist und dringend Lebensorientierung braucht und auf eine strenge Vaterfigur hofft, wird mit Peterson sicherlich jemand finden, der ihm die benötigte Orientierung verschafft. Besser als die selbst zusammengereimte und oft dann doch recht nihilistische Spiritualität vieler anderer Lebensratgeber ist Peterson auch. Allen anderen könnte Peterson nicht so viel zu bieten haben.