A review by sheyri
Träume der Todgeweihten by Nicolas Lietzau

5.0

CW:
SpoilerGewalt, Mord, Depression, PTSD, Selbstmord und deutliche Selbstmordgedanken, Vergewaltigung, Horrorelemente


LGBTQ Rep:
Spoilerbisexueller Protagonist, schwul, lesbisch


Vorgeschichte zu meiner Beziehung mit dem Buch
(semi relevant für die Review, könnt ihr gerne überspringen, darum im Spoiler)

SpoilerIch hatte mich schon wahnsinnig auf die deutsche Übersetzung gefreut, sodass ich es natürlich sofort bestellen musste, als Nico es auf Discord still und heimlich angekündigt hat. Deshalb hatte ich es auch schon lange vor der offiziellen Ankündigung in der Hand. Leute, das ist wie Weihnachten, nur besser.

Als Fan des Spiels "Enderal" war es für mich nie eine Frage, ob ich das Buch lesen möchte oder nicht. Die Story und die Charaktere lassen mich bis heute, 6 Jahre nachdem ich es das erste Mal gespielt habe, nicht los, und ich kehre immer wieder gerne zurück (auch wenn es mir regelmäßig das Herz rausreißt, aber wer braucht schon ein Herz). Als Nico dann also angekündigt hat, er schreibt einen Roman, der in der Welt spielt, musste ich den natürlich lesen. Mehr Enderal Content? Und dann auch noch über die Vorgeschichte von meinem Lieblingscharakter im Spiel (heute teilt er sich den ersten Platz)? Her damit!

Angefangen hat der Spaß dann mit der Web Novel Version, die ich auch bis Kapitel 7 oder so gelesen habe. Dann hab ich mich aber entschieden, lieber auf die fertige Veröffentlichung zu warten, weil angenehmeres Lesen (PDF auf dem Handy ist ätzend). Als es dann endlich soweit war, zog zunächst das englische eBook ein, und, als sämtliche Startschwierigkeiten überwunden waren, schließlich auch das englische Hardcover. Im Frühjahr 2022 hab ich mir dann auch noch die alte Version heruntergeladen und zum Vergleich gelesen. Ja, manche Stellen haben vom Umschreiben sehr profitiert. Mein Respekt, Nico!
Und jetzt liegt auch das deutsche Hardcover neben mir.


Kurze Info zum Spiel

Ja, es gibt ein Spiel. Es nennt sich "Enderal - Forgotten Stories" und ist ein Total Conversion Mod für "The Elder Scrolls V: Skyrim". Nicolas Lietzau war Projektleiter und hat fast das gesamte Spiel geschrieben.
Ihr müsst das Spiel nicht kennen, um "Träume der Todgeweihten" zu lesen. Ein paar Kleinigkeiten sind sowieso abgeändert. Allerdings kann ich das Spiel nur empfehlen. Also, wenn euch das Buch gefällt, gefällt euch das Spiel wahrscheinlich auch. (Und wenn euch das Buch nicht gefällt, spielt es trotzdem. Es ist kostenlos, wenn ihr Skyrim habt.)

Jetzt aber zum Buch!

Die Handlung klingt erst mal nach nichts Besonderem. Ein reicher Kerl mit einer mysteriösen Krankheit, deren Ursache es zu finden gilt. Und nebenbei zivile Unruhen, die in einen Bürgerkrieg auszuarten drohen.
Unser Protagonist, Jespar Dal'Varek, wird angeheuert, um die Hintergründe der Krankheit herauszufinden und somit den reichen Kerl zu heilen, damit dieser dann die Unruhen aufhalten kann. Blöd nur, dass sich die Situation sehr schnell sehr stark zuspitzt, und Jespar in alles mehr verwickelt wird, als ihm lieb ist. Dazu noch eine Prise Gefühlschaos auf allen Ebenen (nicht nur Liebe, aber auch).

Die Umsetzung ist klasse. Eine Mischung aus Humor, brutaler Realität, philosophischen Unterhaltungen, Horror, schöner Landschaft, Trauma, frischer Liebe und Selbstmordgedanken. Je weiter die Handlung fortschreitet, desto schmerzhafter wird es.
Deswegen hier auch eine Warnung: Nehmt die Triggerwarnung ernst! Es wird grafisch.

Der Anfang zieht sich meiner Empfindung nach ein bisschen, aber ab einem gewissen Punkt (nach circa einem Viertel) lässt es mich dann nicht mehr los. Bis dahin ist es keinesfalls langweilig oder uninteressant, es ist einfach nicht mein Lieblingsteil. Vielleicht, weil das in etwa die Kapitel sind, die ich schon aus dem Web Novel kannte.

Was man mögen muss, sind die philosophischen und sozialkritischen Unterhaltungen, denn die liebt Jespar. Ich auch, aber das ist nichts für jeden. Ich kann durchaus verstehen, wenn sich das für manche wie Lückenfüller liest.

Die Charaktere... Naja, was soll ich sagen. Bei Jespar bin ich sowieso voreingenommen, den hab ich schon im Spiel geliebt, dann kann er im Buch nichts falsch machen. Lysia dagegen, nicht so mein Fall, sie ist mir zu naiv. Kawu ist einfach nur zum Knuddeln. Oonai ist ein Arsch.
Eins haben sie aber alle gemeinsam: sie sind gut geschrieben und fühlen sich echt an.

Fazit

Ich kanns nur empfehlen.
Wenn ihr Enderal gespielt und gemocht habt sowieso. Wenn ihr das Spiel nicht kennt, lest die Beschreibung, lest die Trigger und wenn es euch dann zusagt, gebt dem Buch eine Chance.

Eine Sache jedoch, nennt es Warnung, Bitte oder was auch immer:
Mir sind ein ganzer Haufen Fehler aufgefallen, gefühlt einer alle vier Seiten. Die Art, die im Lektorat auffallen und ausgebessert werden sollten. Jeder einzelne hat einfach nur weh getan, weil ich weiß, dass das nicht Nicos Standard ist. Er ist schon recht perfektionistisch, und im englischen Original ist das auch um Längen besser. Er würde sich wahrscheinlich selbst in den Hintern beißen wollen, wenn er das hier sieht.
Darum: bitte, bitte, versucht darüber hinwegzusehen und konzentriert euch auf die Geschichte. Das Buch hat es verdient!
Vielleicht ist es auch nur meine Ausgabe. Unwahrscheinlich, aber man weiß ja nie. Jedenfalls würde ich sagen, wenn ihr Englisch flüssig lesen könnt, lest es lieber auf Englisch.

Die Frage nach dem Format

Hardcover mit Anhang oder Taschenbuch/eBook ohne Anhang?
Inhaltlich macht es keinen Unterschied. Wen ausschließlich nur die Handlung interessiert verpasst mit der Wahl zum Taschenbuch/eBook nichts.

Allerdings ist der Anhang echt klasse. Wunderschöne Illustrationen, extra Infos zur Geschichte und Kultur Kilays, Charaktersteckbriefe, eine zusammengefasste Erklärung zum Traumwandeln, und natürlich die Einführung in die Sprache der Makehu.
Ich hab mich sowohl beim englischen als auch beim deutschen Buch für das Hardcover entschieden und bereue es kein bisschen. Mein Geldbeutel mag da anderer Meinung sein, aber der hat da nicht mitzureden.

Meine Empfehlung:
Für Hardcore Enderal Fans und Leser, die Wert auf extra World Building legen, definitiv das Hardcover.
Allen anderen entgeht auch mit dem Taschenbuch nichts. Alternativ dann die günstigere Variante mit dem eBook (leider nur Kindle).