Take a photo of a barcode or cover
A review by pascalthehoff
Pantopia by Theresa Hannig
hopeful
lighthearted
medium-paced
- Plot- or character-driven? Plot
- Strong character development? No
- Loveable characters? Yes
4.0
Ich liebe trojanische Pferde, die verkopfte Themen in leicht verdaulicher Form liefern. Pantopia ist bereits dem Klappentext nach Hard-Sci-Fi, wie sie im Buche steht. Die Geschichte beginnt aber aus der hemdsärmlig erzählten Perspektive der menschlichen Protagonisten. Als die ersten Kapitel auf eine aufgesetzte Romanze zusteuerten, habe ich im Kopf bereits die 2-Sterne-Wertung formuliert. Kurz danach, mit Auftritt der KI in der Hauptgeschichte, schlägt Pantopia jedoch eine qualitative Kehrtwende ein.
Die übermäßig leichtfüßige Erzählweise schlägt in eine große Stärke um, sobald es ans Eingemachte geht. Denn sogar komplexere politische, wirtschaftliche und technische Zusammenhänge vermittelt Pantopia ungewohnt mühelos. Bücher, die soziale Utopien malen, kommen selten als gemütlicher Unterhaltungsroman zum Wegblättern daher. Allein das macht Pantopia also zu einer herausragenden Ausnahme.
Vielleicht wäre es möglich gewesen, die Erzählungen über die menschlichen Figuren noch weiter in die Monologe der KI einzubetten, so wie es im Roman bereits häufig geschieht. Die personalen Perspektiven der Menschen sind erzählerisch mit Abstand die schwächsten Kapitel. Am Ende bringt es aber nichts, wenn der Roman 80% der Leserschaft verliert, weil er sich liest wie ein Asimov von 1950. Dafür gibt es andere Autor*innen. Und Zugänglichkeit selbst ist ein valides, vielleicht sogar unterschätztes Qualitätsmerkmal. Wenn es dafür quirlige Young-Adult-Charaktere braucht, then so be it.
Ideologisch kehrt Pantopia zwei unsterbliche Klischees auf den Kopf. Nummer 1: Ja, die KI verselbständigt sich. Aber anstatt die Menschheit zu unterwerfen, rettet sie die Welt. Nummer 2: Es sind nicht die genialen Startup-Genies, die uns retten; sie haben selber absolut keinen Plan, was sie tun.
Die Wunderlösung liegt auch nicht in der unsichtbaren Hand des Marktes, sondern darin, diese unsichtbare Hand zu fesseln. Eine interessante Alternative zwischen Turbokapitalismus und volldigitalisierter Planwirtschaft. Das Narrativ des technologischen Fortschritts, der uns alle retten wird, trifft auf Degrowth-Ideen.
Die Autorin sagt online: „Die Vorstellung, dass wir wirtschaftlich (immer noch) weiter wachsen könnten und gleichzeitig das Klima retten ist eine sehr gefährliche Illusion, die sowohl von Unternehmen als auch von politischen Parteien unterfüttert wird.“ Im Buch aber wird die Welt beim Versuch gerettet, die Wirtschaft zu beschleunigen; quasi als unerwünschter Nebeneffekt. Wie eine höhere Macht interveniert die KI, bevor die Menschen ihren Planeten zugrunde richten können. Bei so viel Ironie des Schicksals ist Pantopia kaum als spekulative Science-Fiction mit Realitätsanspruch zu verstehen.
Dafür funktioniert Pantopia aber hervorragend als idealistischer Wohlfühlroman. Umso mehr, weil der Prolog das Happy Ending bereits vorwegnimmt. Nur sollte man sich nicht der Illusion hingeben, dass eine Lösung, wie der Roman sie präsentiert, tatsächlich eines Tages wie der digitale Messias aus der Cloud schweben würde.