A review by nettebuecherkiste
Zwei Herren am Strand by Michael Köhlmeier

4.0

Zwei herausragende Figuren des 20. Jahrhunderts, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Winston Churchill und Charlie Chaplin. Ersterer ein konservativer Staatsmann, der die Briten mit Blut, Mühsal, Schweiß und Tränen durch den 2. Weltkrieg manövrierte, letzterer ein absoluter Weltstar, ein Clown, jedoch auch sozialkritischer Satiriker, dem später sogar aufgrund mutmaßlicher Nähe zum Kommunismus die Wiedereinreise in die USA verwehrt wurde. Und doch waren sie Freunde und hatten etwas Wichtiges gemeinsam, das beider Leben prägte: die Depression.

Ich bin wahrscheinlich selbst schuld, dass ich mich im Vorfeld nicht genauer über das Buch informiert habe, ich dachte jedenfalls bis zum Ende, das Ganze wäre tatsächlich so geschehen, wie Michael Köhlmeier es uns berichtet. Tatsächlich ist vieles wahr, was in dem Roman steht, insbesondere die depressiven und sogar suizidalen Tendenzen der beiden Charakterköpfe, doch Köhlmeier macht keinen Hehl daraus, dass er die Fakten durch Fiktionalisiertes ergänzt hat. Hat er gut gemacht, ich hab's jedenfalls geglaubt.

Köhlmeier erzählt sowohl von den Treffen zwischen Churchill und Chaplin als auch aus beider Leben, dabei geht er halbwegs, jedoch nicht streng chronologisch vor. Ich habe viel gelernt über die beiden, über Chaplin wusste ich vorher bereits mehr als über Churchill, völlig neu für mich war, dass Churchill ein Schulversager war, was sicher maßgeblich zu seinen Depressionen beigetrug, denn als Abkömmling eines wichtigen Adelshauses und Sohn eines Konservativen waren die Erwartungen an ihn natürlich besonders hoch. Tatsächlich fand ich das, was ich von Köhlmeier über Churchills Kindheit und seine Familie erfahren habe, so interessant, dass ich nun unbedingt eine gute Churchill-Biografie lesen möchte.

Charlie Chaplin andererseits - ihn liebte ich schon immer. Seine Filme habe ich unzählige Male gesehen, sie gehören für mich zum Komischsten, was es gibt, ich habe sofort die herrlichsten Szenen aus "Modern Times" und "City Lights" im Kopf. Mit seinem Meisterwerk "The Great Dictator" stieg er für mich in die Riege der verehrten Menschen auf, weil er es wagte, Hitler in nahezu hellseherischer Manier auf dem Höhepunkt von dessen Macht entgegenzutreten.

Köhlmeier lässt die beiden über Suizid sinnieren, sich jedoch auch gegenseitig beistehen, wenn einer der beiden vom "schwarzen Hund", der Depression heimgesucht wurde. Gipfeln lässt er seinen Roman mit den Ereignissen um die Veröffentlichung von The Great Dictator, die grob etwa zur selben Zeit erfolgte als die Wiederkehr Winston Churchills in die Regierung und seine Übernahme sowohl als Premierminister als auch als Kriegsminister. Für beide die wohl größte Herausforderung ihres Lebens und der Zeitpunkt, wo ein gefürchtetes Ereignis eintrat: Beide Freunde befanden sich gleichzeitig in den Klauen der Depression.

Trotz der ungenauen Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit ist "Zwei Herren am Strand" ein unterhaltsames und bewegendes Buch, das ich mit Vergnügen gehört habe.

Das Hörbuch ist von Michael Köhlmeier selbst eingelesen. Obwohl Köhlmeier dazu neigt, keine richtige Pause zwischen zwei Sätzen machen, was eine ungewöhnliche Betonung mit sich bringt, macht er das gut.