A review by missbookiverse
Everneath by Brodi Ashton

3.0

Lang und breit
Everneath beginnt mit einem Kokon aus Schwärze, einem Erwachen aus einer hundertjährigen Starre. Ich hatte die Szene sofort vor Augen, war fasziniert von dem Bild einer ewigen Umarmung und wollte mehr wissen über dieses Everneath. Allerdings stolpert man nach dem Prolog erst mal zurück ins alltägliche Leben. Protagonistin Nikki ist heimgekehrt, auf der Erde ist nur ein halbes Jahr vergangen und sie muss sich nun dem Schulalltag und den zurückgelassenen Menschen stellen.
Am Anfang habe ich auch hier noch gespannt weitergelesen. Man wird nur häppchenweise mit Informationen gefüttert. Warum war Nikki im Everneath? Wie hat sie die Zeit dort verbracht? Und wie hat sie Cole kennen gelernt?

In Nikkis neuem Leben geht es plötzlich um zwei junge Männer, die großes Interesse an ihr aufweisen. Zum einen wäre da Cole, der sie ins Everneath gebracht hat, der die letzten 100 Jahre an ihrer Seite war und dem sie nie recht traut. Empfindet er wirklich etwas für sie oder will er sich nur ihre Lebensenergie zu Nutzen machen? Kandidat Nummer 2 heißt Jack und ist Nikkis Sandkastenfreund. Vor ihrem Verschwinden war er sogar ihr fester Freund und die Gefühle, die die beiden füreinander hegen, konnten nie recht verebben. Was nach Dreiecksgeschichte klingt, ist gar keine, denn für Nikki steht die Wahl von vorneherein fest und sie lässt sich in ihren Gefühlen nicht beirren. Einerseits erfrischend, andererseits finde ich, dass sie die langweiligere Wahl getroffen hat. Jack ist dieser typische beste Freund, immer nett, Sportskanone und einfühlsam. Cole wirkt dagegen cool, spitzbübig und gefährlich. Es ist zwar angenehm mal eine Protagonistin zu haben, die sich eindeutig für einen Jungen entscheiden kann, aber mehr Knistern zwischen Cole und ihr hätte mir gefallen.

Nach dem starken Anfang hat mich das Buch zur Mitte hin leider gelangweilt. Es zieht sich, die Handlung kommt nicht recht vom Fleck, hier ein Treffen mit Cole, da ein Besuch von Jack, noch mal eine Erinnerung, um die Vergangenheit zu erklären und wieder von vorn. Beim nächsten Mal bitte mehr Tempo und Eindeutigkeit.

Zu Beginn wirkt Nikki wie eine selbstsichere, einfühlsame Person. Sie weiß, was sie in der wenigen Zeit, die ihr bleibt vorhat. Sie weiß welchen Jungen sie will und sie sitzt nicht ständig heulend in der Ecke. Allerdings verlässt sie gegen Ende ein wenig das logische Denken. Manche Dinge (Stichwort Anker) sind einfach so offensichtlich und simpel! Dadurch konnte mich auch das Ende nicht überraschen.
Schade fand ich außerdem, dass der Grund für Nikkis Verschwinden so banal ist.
SpoilerDen Tod ihrer Mutter fand ich stimmig, aber dass sie Jack dabei erwischt, wie er eigentlich gar nicht fremdgeht, war so ein langweiliges Klischee. Da hätte er doch wenigstens wirklich etwas falsch machen können, das sie zu Cole treibt.


Wie ganz oben erwähnt, fand ich die Idee des Everneaths total toll, düster und romantisch. Blöderweise wird sie viel zu oberflächlich erforscht. Ich weiß zwar, dass Cole und Nikki dort 100 Jahre in einer umarmenden Starre verbracht haben, aber Nikki denkt an die Zeit auch oft so zurück als hätte sie Dinge mit Cole erlebt, zumindest Unterhaltungen mit ihm geführt. Deshalb frage ich mich, wie genau das im Everneath von statten geht.
Zusätzlich dazu hat mir die Veränderung in Nikkis Charakter gefehlt. Sie hat 100 (!) Jahre Everneath hinter sich, das muss doch etwas mit einem anstellen. Das ist mehr als ein durchschnittliches Leben. Sie müsste sich doch ganz anders verhalten als andere Teenager, weiser sein, reifer, alles mit mehr Abstand betrachten. Leider hat die Autorin diesen Aspekt überhaupt nicht erforscht.

Everneath hat die Sage von Persephone und Hades zur Grundlage. Geschichten und Vergleiche aus der griechischen Mythologie werden während der Handlung mehrmals angesprochen. Umso bescheuerter fand ich, dass am Ende plötzlich eine Erzählung aus der ägyptischen Mythologie alle Rätsel löst. Wozu? Man hätte doch sicher auch bei den Griechen etwas Passendes finden können oder sich wenigstens etwas ausdenken.

Kurz und knapp
Everneath hat ein paar funkelnde Ideen und Momente. Leider gibt es dazwischen viel zu viele langatmige Lückenfüller. Wer ein Herz für die „Nice Guys“ hat, könnte die Seiten aber wesentlich befriedigter umblättern.