A review by anastasiahiraeth
Wabi Sabi: Japanese Wisdom for a Perfectly Imperfect Life by Beth Kempton

4.0

„Wabi Sabi spüre ich, wenn ich alleine in einem Raum bin, aber die noch anhaltende, wohlige Präsenz von Menschen fühle, die eben noch da waren.“

Das ist ein Zitat aus dem Buch. Eine ältere Frau hat es zur Autorin gesagt und ich fand es irre schön.

Wenn man sich in die Lebensweise und Kultur von Japan vertieft, fallen einige Dinge auf. Japan zählt zu den Top 10 der friedlichsten Länder der Welt und zu den Top 10 mit den ältesten Menschen. Dem zugrunde liegen Begriffe wie Ikigai, Nagomi und Wabi Sabi.

Ich habe auf meiner japanischen, literarischen Kulturreise schon dank Ken Mogi Ikigai und Nagomi kennengelernt. Ich habe auch gelernt, dass diese Begriffe so schwer zu beschreiben sind wie die Farbe des Himmels einem Blinden. Es verhält sich mit japanischen Begriffen der Lebensphilosophie nämlich so, dass sie alles bedeuten können - und nichts.

Nehmen wir Wabi Sabi, das zentrale Thema und Titelgeber dieses Buches.

Für jeden bedeutet es etwas anderes. Für die alte Dame von ganz oben ist es ein flüchtiger Moment, ein Sinneseindruck, der so schnell verfliegt wie der Geruch von Kirschen, den der Wind einem an die Nase trägt. Für andere bedeutet es, dass Unperfekte zu zelebrieren.

Am geläufigsten wird Wabi Sabi im Zusammenhang mit Inneneinrichtung sein. Ein Einrichtungsstil, der auf Schlichtheit, Harmonie und Unvollkommenheit zielt. Eine Schale mit einem Sprung etwa bekommt einen immensen Wert im Gegensatz zu einer perfekt geformten.

So hat Beth Kempton Wabi Sabi auch verstanden. Nämlich die Zelebrierung von Unperfektem, von der Gegenwart, von jedem flüchtigen Moment, selbst den schönen. Kurzum, das Leben zu genießen, sowie es jetzt gerade in diesem Augenblick ist.

Und das finde ich wunderschön. Vor allem auch schön fand ich, wie Beth Kempton es geschafft hat, einen Begriff, der mit seinen zwei kleinen Wörtern die ganze Welt zum Ausdruck bringt, doch soweit auf seine Essenz herunterzubrechen, dass ein Leser, der vielleicht sogar zum ersten Mal mit der japanischen Lebensphilosophie in Berührung kommt, seine Fülle begreifen kann.

Wabi Sabi ist der Geruch der Luft kurz vor einem Sturm.
Wabi Sabi ist das Lachen und das Weinen eines Kindes.
Wabi Sabi ist ein mit Terminen vollgestopfter Tag, aber auch ein Tag, an dem man absolut gar nichts vorhat.

Wabi Sabi ist perfekt unperfekt.
Wabi Sabi ist LEBEN.