A review by violetends
Drei Kameradinnen by Shida Bazyar

challenging dark emotional reflective sad tense medium-paced
  • Plot- or character-driven? A mix
  • Strong character development? It's complicated
  • Loveable characters? Yes
  • Diverse cast of characters? Yes
  • Flaws of characters a main focus? It's complicated

5.0

Es ist spät und ich höre nur hin und wieder noch ein Auto auf der Straße, die zwischen den Bäumen von meinem Fenster zu sehen ist, vorbeiziehen. Um mich herum schläft schon alles und ich bin ganz alleine mit dieser Geschichte die ich gerade zu Ende gelesen habe und für die ich gleichzeitig so so viele Worte habe und doch nicht weiß, welche ich wählen soll. 

Vielleicht fange ich mit dem einfachen an, mit der Form. Kasihs Stimme erzählt warm, wütend, weich, aufgebracht und immerzu mit einer mitreißenden Dringlichkeit. Sie springt durch Erinnerungen die sie in Bildern, Gerüchen und Wortfetzen festhält, die sie fortwährend reflektiert und kontextualisiert. Dabei folgt sie keinen narrativen Regeln. Bewusst bricht sie das, was sie in der Schule über Einleitung-Hauptteil-Schluss gelernt hat und kreiert damit ein so lebendinges und greifbares Bild, dass es sich für mich kaum anders angefühlt hat, ihren Worten vor einigen Tagen aus dem Publikum eines Theaters heraus zu folgen. Auch die achronologischen Abfolgen ihrer Erzählung haben mich nur noch tiefer in ihre Geschichte hineingezogen.

Dass Kasih ein unreliable narrator ist und ihre Geschichte immer wieder nach ihren eigenen Sehnsüchten und Wünschen formt, verdichtet diese Komplexität nur. Wie Saya, die ganz zu Beginn eine Begegnung im Flugzeug mit einem Nazi umdichtet, um eine auch nur ein bisschen leichtere Erfahrung teilen zu können, erzählt Kasih das was genaus gut hätte passieren können und löst nur auf den letzten Seiten einige dieser Stränge auf. Das was sie erzählt, bringt dabei die Erfahrungen, Gefühle und von Rassismus geprägten Lebensrealitäten, die sie vermitteln will, vielleicht deutlicher rüber. Vielleicht ist es daneben auch der Versuch eine Realität herbeizudichten, die nicht weniger komplex und von Diskriminierung geprägt ist, die aber einige Variablen enthält die das Leben für sie erträglicher machen. 
Hani hätte bei all diesen Situationen bei Saya und Kasih sein können, aber sie ist viele Jahre vorher mit ihrer Familie in die USA gegangen, um einer Abschiebung zu entgehen. Aber in Kasihs nächtlichen Träumereien sind die drei Kindheitsfreundinnen noch vereint und bleiben, wie Hanis Mutter sie immer wieder aufgefordert hat, beeineinander. 
Saya hätte in der Nacht vor dem Brand mit dem Nazi aus dem Flugzeug einen Streit anfangen können bei dem sie für all die Wut, die sie durch den Roman trägt, ein Ziel gefunden hätte um dieser auch nur für einen Moment Gehör zu verschaffen, bei einem der Menschen, die ihr Auslöser sind. Nach diesem Streit, hätte er ein Haus anzünden können, in dem viele Menschen ums Leben kommen. Aber Saya ist bei Kasih und die beiden lernen aus den Nachrichten vom Brand und fahren erst am Tag danach zu dem Haus, um für Menschen zu weinen, die sie nicht kennen, aber ebensogut hätten kennen können. 
Ich finde gerade nicht die richtigen Worte um die Tiefe dieser stilistischen Entscheidung wirklich greifen zu können, die Kasih die Grenzen zwischen Realität und Wunschtraum  verwischen lassen lässt, aber es macht unfassbar viel mit mir.


Neben all diesen Beobachtungen ist mir die ganze Zeit über bewusst gewesen, dass viel an diesem Buch nicht für Menschen wie mich geschrieben ist, die keine geteilte Lebensrealität mit Kasih, Saya und Hani haben. Gleichzeitig spricht Kasih Menschen wie mich konstant an und called verschiedene, wahrscheinliche Gedankengänge out. Ich habe mich mehrfach von ihren Worten ertappt gefühlt und ich habe das Gefühl, dass es wichtig ist, dass dieses Buch das so geradeheraus tut. Neben zahllosen anderen, ist das einer der vielen Gründe (die ich hier gar nicht alle erwähnen kann), warum ich dieses Buch so gut und wichtig finde.

Ich lese in den letzten Jahren nur selten auf Deutsch, weil viel mir nicht poetisch genug ist oder mir zu wenig mit Sprache und dem Erzählen spielt. Aber Drei Kameradinnen ein ganz deutlicher Beweis dafür, dass es diese Geschichten gibt.

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