A review by missbookiverse
The Color of Bee Larkham's Murder by Sarah J. Harris

5.0

Bee Larkham ist verschwunden und ihr vierzehnjähriger Nachbar Jasper behauptet, sie ermordet zu haben. Von dieser Ausgangssituation aus wird zwischen Gegenwart und Vergangenheit gewechselt. Wir erfahren einerseits, wie Bee Larkham in die Nachbarschaft, Ort ihrer Kindheit, zurückgekehrt ist und das friedliche Nachbarschaftsleben mit lauter Musik und Widerspenstigkeit aus dem Gleichgewicht gebracht hat; wie sie Jasper um den Finger gewickelt und sich für Nettigkeiten kleine Gegenleistungen von ihm erschlichen hat. In der Gegenwart wird Bees Verschwinden untersucht: Ist sie verreist oder wurde ihr etwas angetan? Wir erfahren mehr über Jasper, der Synästhesie und Prosopagnosie hat. Das bedeutet, dass er Klänge, Wörter und Zahlen in Form von Farben wahrnimmt und dass er sich keine Gesichter merken kann. Er leidet unter dem Tod seiner Mutter, fühlt sich nicht verstanden von seinem Vater und sucht Trost in Zeichnungen, um die Welt zu zeigen wie er sie sieht, und dem Beobachten von Vögeln (und gerne auch mal dem Treiben der Nachbar:innen).

Geschildert werden beide Zeitebenen aus Jaspers Perspektive. Das ist einerseits eine Bereicherung, denn seine Weltsicht wirkt wie in einen hundertteiligen Tuschkasten getunkt: vom pommeselben Bellen des Nachbarhundes über das unangenehme Kotzorange von Schimpfwörtern bis zum Kobaltblau der Stimme seiner Mutter. Andererseits erschwert Jaspers Gesichtsblindheit die Ermittlungen und erschwert eine klare Darstellung des Geschehenen. Um andere Menschen zu erkennen, ist Jasper auf deren Frisuren, Kleidungsstile und Stimmfarben angewiesen. Wenn sich jemand die Haare färbt oder eine Erkältung hat, kann das fatale Auswirkungen auf seine Erkennungsmuster haben. Dazu kommt die Naivität und Aufrichtigkeit eines beinahe-noch-Kindes, das sich ohne seine stärkste Bezugsperson in einer Welt zurechtfinden muss, die ausschließlich für neurotypische Menschen gestaltet ist. Manchmal führt das zu trockenem Humor vom feinsten, dann wieder zu einer Infragestellung der Norm und emotionalen Mitfühlmomenten.

Die stückchenhafte Enthüllung der Vergangenheit, Bees bröckelnde Fassade der freundlichen Nachbarin und die angespannte Situation der restlichen Straßenbewohner lässt alle Figuren früher oder später unter Verdacht geraten. So entspinnt sich eine spannende Detektivgeschichte, die durch Jaspers Perspektive zu einem farbenfrohen Gesamtkunstwerk wird.